Die AfD will „Deutschland umbauen“, am liebsten „radikal“. Soweit stimmt der Titel des Artikels auf FAZ.net vielleicht mit der Aufgabe überein, die die AfD sich selbst gegeben hat. Aber dass nach Umsetzung der AfD-Forderungen tatsächlich „das Land nicht wiederzuerkennen wäre“, hält der Werwohlf für weit übertrieben. Gehen wir die Punkte mal durch. Und lassen wir bei allen zunächst mal ganz außer Acht, was wir von ihnen jeweils halten:
1. Strafmündigkeit schon ab 12 Jahren
Warum würde eine Umsetzung mithelfen, das Land bis zur Unkenntlichkeit zu verändern?
Die kriminellen 12jährigen landen dann ja wohl nicht im Kinderknast, sondern müssen irgendwelche altersgerechten Bestrafungen aufgedrückt bekommen. Ist das eine Veränderung, die für viele spürbar wäre?
2. Sicherungsverwahrung statt Psychiatrie
Das wird für die Betroffenen schon einen deutlichen Unterschied ausmachen, aber für den Rest des Landes? Wenn wir ehrlich sind, kennt doch kaum einer überhaupt diesen Unterschied genau.
3. Abschiebung ausländischer Krimineller
Alles im Artikel unter diesem Punkt Genannte würde doch wohl kaum etwas für dieses Land Konstitutives verändern. Ob die ausländischen Kriminellen die Knäste bevölkern oder irgendwohin abgeschoben werden, tangiert Otto Normalbürger eher nicht. Und dass diese Leute nach Entlassung wieder ihrer illegalen Tätigkeit nachgehen, ist hoffentlich nicht so sehr die Regel, dass ihre Abschaffung das Leben in Deutschland drastisch veränderte. Oder etwa doch?
4. Straftatbestand der Steuerverschwendung
Ok, das würde für noch mehr Bürokratie sorgen, aber ob dieses Mehr wirklich richtig wahrnehmbar wäre? Ob sich Verfahren nun drei oder vier Jahre hinziehen, dürfte eher nicht entscheidend sein.
5. Weniger Erinnerung an den Nationalsozialismus
Abgesehen von der berechtigten Frage, wie die AfD das überhaupt unterbinden will (außer dort, wo der Staat das Sagen hat): Gehört die andauernde Beschäftigung mit dem Nationalsozialismus wirklich zu dem, was dieses Land ausmacht?
6. Behinderte Schüler
Wenn die AfD das will, was bis vor kurzem noch üblich war, wie „radikal“ ist das dann?
7. Islam
Auch hier: Die AfD wendet sich gegen nichts, was bereits allgemeine Praxis wäre. Dieser Widerstand ist vor allem ein vorbeugender gegen Tendenzen, die diese Partei meint beobachten zu können. Die Abwesenheit von Minaretten, Vollverschleierung und Muezzinrufen würde zum gegenwärtigen Stand jedenfalls nicht als Lücke wahrgenommen werden.
8. EU soll Kompetenzen an Nationalstaaten zurückgeben
Wäre mehr Subsidiarität wirklich ein „radikaler Umbau“? Ist EU-Zentralismus eine der wesentlichen Säulen, auf die dieser Staat aufgebaut ist?
9. Notfalls Austritt aus dem Euro
Okay, wenn alle wieder neue Geldscheine bekommen und sich an neue Bezeichnungen und Umrechungen gewöhnen müssen, wäre das wirklich eine radikale Veränderung. Allerdings eine, die uns von anderen Parteien bereits zugemutet wurde und daher nicht als Alleinstellungsmerkmal der AfD taugt…
10. Nato-Beitrag nur im deutschen Interesse
11. Stärkere Bundeswehr
Für viele mag es heute eine extrem ungewohnte Vorstellung sein, über eine Armee zu verfügen, die diesen Namen auch verdient. Die Älteren unter uns können sich an solche Zeiten allerdings noch erinnern, und so anders sah Deutschland da auch nicht aus. Und dass Nato-Einsätze außerhalb des Bündnisgebiets nur restriktiv zu erfolgen haben, fordern seit ewigen Zeiten schon ganz andere Parteien. Als radikale Veränderung dieses Landes würde eine solche Einschränkung wohl kaum durchgehen. Denn auch hier gilt: Es ist noch nicht allzu lange her, da ging in dieser Richtung gar nichts.
12. Ende für alliierte Truppen in Deutschland?
So viele sind nicht mehr davon da. Die „radikale Veränderung“ in dieser Hinsicht haben wir schon lange hinter uns.
13. Gegen zu viel Homo- und Transsexualität und Gender-Forschung
Auch das richtet sich gegen neuere Tendenzen, wie sie z.B. in den baden-württembergischen Unterrichtsrichtlinien zum Ausdruck kamen. Hier soll wohl eher eine radikale Veränderung verhindert statt eingeleitet werden.
14. Keine „geschlechterneutrale Sprache“.
Ob der Verzicht auf gedoppelte Anreden mit jeweils einem genuschelten „-innen“ tatsächlich als entscheidender Umbau wahrgenommen werden würde, darf bezweifelt werden. Und wenn, dann eher erleichtert.
15. Individuelles Asylrecht abschaffen
Angesichts der Relationen unter den Neuankömmlingen, von denen nur eine kleine Minderheit Anrecht auf Asyl nach GG hat (verfahrenstechnisch aber alle anderen so behandelt werden, als hätten sie), beträfe dies im eigentlichen Sinn nur wenige Menschen. Und wen die Änderung des Prinzips so sehr stört, dass er die Grundfeste dieser Demokratie erschüttert sieht, der sei auf die Praxis anderer Ländern verwiesen, die auch ohne ein solches Individualrecht auskommen, ohne dass ihnen deswegen der Wunsch nach einem neuen Adolf unterstellt würde.
16. Staatsbürgerschaft
Auch hier will die AfD eher zurück zu Bekanntem. Ob die Umkehrung eines radikalen Umbaus als zu Entsetzen Anlass gebender radikaler Umbau eigener Art gesehen werden kann, mag jeder für sich selbst entscheiden.
17. Deutsche Literatur nur in Deutschland digital
Skurril, aber in der Praxis wohl ohne Bedeutung für die große Mehrheit der Menschen.
18. Kein Geld mehr für den Klimaschutz
19. Atomausstieg rückgängig machen
Dass die Leute wieder mehr Geld in den Taschen haben, statt Energieexperimente mit ungewissem Ausgang und profitable Subventionsmodelle zu finanzieren, kann wohl als der einzige dieses Land ins Mark treffende Umbau angesehen werden. Das ginge ja gar nicht.
20. Freie Fahrt für freie Bürger
Das ist für die Autofahrer auf Autobahnen bereits Realität. Angesichts fehlender Kontrollen ist dort jede Geschwindigkeit de facto freiwillig gewählt, egal was die Zahlen im roten Kreis aussagen. Wie erheblich die Einnahmeausfälle für die Kommunen sein würden, wenn nicht mehr auf unproblematischen Strecken die Nichteinhaltung willkürlicher Begrenzungen sanktioniert werden könnte, wäre zu beziffern. Aber wäre das schlimmer als andere finanzielle Belastungen, die der Bund regelmäßig den Gemeinden aufzuerlegen pflegt, damit sich die Bundespolitiker ungestört als Wohltäter gerieren können?
Fazit
Es tut ihm wirklich leid, liebe politisch-korrekte Freunde, aber der eine oder andere Vorschlag darunter erscheint dem Werwohlf tatsächlich diskussionswürdig. Andere sind realitätsfern oder schädlich für dieses Land, aber bitte: Das Kriterium erfüllen aus Sicht des Werwohlfs die meisten politischen Forderungen. Egal, von wem sie kommen. Besonders radikal sind die AfD-Forderungen insgesamt nur für den, der den Sollzustand weitgehend mit linken Vorstellungen gleichsetzt. Alle anderen dürften sie eher an ein Deutschland erinnern, das so lange noch nicht zurück liegt. Es ist also eher verblüffend, wie sehr die durch den massiven Linksschwenk der CDU begünstigten jüngeren Veränderungen von bestimmten Kreisen bereits als für dieses Land konstitutiv empfunden werden.
Fast alles schön und gut, aber No. 17 scheint mir dann doch so abgedreht, daß sich auch Zweifel hinsichtlich der anderen Punkte melden. „Nur ein Deutscher kann Deutsche Literatur richtig würdigen“ oder wie? Das ist doch wirklich Blödsinn und zeugt von einem sehr trüben Provinzialismus und einem latenten Wunsch nach Kultur-Apartheid.
Gut, zugegeben beträfe selbst diese nur eine Minderheit.
Ich schrieb ja „skurril“. Aber Vorsicht mit Rückschlüssen über die anderen Punkte. Die AfD funktioniert anders als andere Parteien…