Eine kleine Moritat

Unternehmer U hat sich vor 20 Jahren mit einem kleinen Betrieb selbständig gemacht. Zusammen mit 10 Mitarbeitern bedient er eine kleine Nische im B2B-Markt. Die Leitung seines kleinen Unternehmens nimmt einen wesentlichen Teil seiner Arbeitszeit in Anspruch, aber er lässt es sich nicht nehmen, hin und wieder auch selbst Hand anzulegen. Allerdings gelingt ihm das immer seltener, denn jedes Jahr ist er mit neuen gesetzlichen Regelungen konfrontiert, die in der Regel darin münden, dass er gut funktionierende Abläufe umstellen und zusätzliches Geld ausgeben muss. Bislang konnte er seine Mitarbeiter an der allgemeinen Lohnentwicklung teilhaben lassen. Während der Finanzkrise überbrückte er eine Durststrecke, indem er Geld aus eigenem Vermögen beisteuerte, damit er niemanden entlassen musste. U erzielt mit seinem Unternehmen gute, aber keine exorbitanten Gewinne, arbeitet aber auch 12 Stunden am Tag und am Wochenende. Dennoch zahlt er als Unternehmenseigner unweigerlich den Einkommensteuer-Spitzensatz, plus Gewerbesteuer. Von dem, was übrig bleibt, legt er für sein Alter zurück oder steckt es wieder in den Betrieb. Er kann sich nicht daran erinnern, wann er zuletzt Urlaub gemacht hat – Frau und Kinder fahren meist alleine.

Checker C brach vor 20 Jahren den letzten Schulversuch ab, den eine gutmeinende Front aus Lehrern und Sozialarbeitern ihm noch nahe legen konnte. Das frühe Aufstehen, um zur Schule zu gehen, wo man ihm ohnehin nur unverständliches Zeugs erzählte, entsprach nicht seinen Vorstellungen von einem guten Leben, und lieber hing er mit seinen Kumpels auf dem Bahnhofsplatz oder neben dem Parkhaus ab. Inzwischen bezog er ALG II. Er bekam eine Wohnung zugeteilt, um deren Kosten er sich nicht zu kümmern brauchte. Nervig war nur die Arbeitsagentur, die immer wieder etwas von ihm wollte, was ihn wegen des erforderlichen Aufstehzeitpunkts wieder verdächtig an Schule erinnerte. Zum Glück ersparte ihm die neue Bundesregierung das erstmal. Für Bier und Zigaretten reicht das Geld, erst recht, wenn er sich unter der Hand mal etwas dazuverdient, indem er hier und da etwas Nachbarschaftshilfe leistet. An Lebensmittel kommt er durch die Tafel billig heran. Einkommensteuer zahlt C keine.

Während U noch am Schreibtisch sitzt, um eine statistische Erhebung auszufüllen, hat es sich C vor dem Fernseher bequem gemacht. Eine Politikerin erzählt mit ernster Miene von den Problemen der Ärmsten, die mit ihrem Geld nicht mehr auskämen. C nickt. Die Frau weiß Bescheid. Jetzt fordert sie eine Vermögensabgabe.

„Die starken Schultern müssen mehr tragen!“ deklamiert sie feierlich. Sie meint U.

Es gibt vorhersehbare Reaktionen auf diesen Beitrag. Um einigen Zeitgenossen einen ungesunden Blutdruck zu ersparen, sei an dieser Stelle erwähnt, dass es sich oben um bewusst extreme Gegensätze handelt, die keinesfalls repräsentativ für Einkommensklassen stehen sollen. Sie sind als Gegengewicht zu den Erzählungen von faulen, reichen Rentiers gedacht, denen unverschuldet in Armut geratene alter Mütterlein gegenüberstehen – eine nicht viel wahrscheinlichere Konstellation, die aber in den Medien eine gewisse Popularität genießt. Letztlich geht es dem Werwohl darum aufzuzeigen, dass das Gequatsche von „starken Schultern“, wenn es um Einkommen oder Vermögen geht, bestenfalls nur die halbe Wahrheit abbildet.

2 Gedanken zu „Eine kleine Moritat

  1. Felsen2000

    Das diabolische Element von Sozialismus ist die systematische Nutzung von versunkenen Kosten, um die eigenen Interessen durchzusetzen:

    In Zeiten des Wohlstands wird systematisch und bewusst die Daseinsvorsorge ignoriert. Die eingesparten Mittel der Daseinsvorsorge werden verfrühstückt. Dann geschieht unabwendbar das „Unvorhersehbare“ und es geht um die nackte Existenz. Jetzt kämpfen die Faulpelze und Schnorrer plötzlich genau so mit Zähnen und Klauen ums Überleben und rauben den Menschen, die vorausgeplant und vorgesorgt haben, die Vorräte. Begründung: „Mag ja sein, dass wir HÄTTEN vorsorgen sollen und mag ja sein, dass wir DAMALS falsch entschieden haben, zu faulenzen. Aber die Vergangenheit kann ja niemand mehr ändern, deswegen steht uns HEUTE ein Teil eurer Vorräte zu – schließlich sind die Vorräte mal da und wir hungern genau so wie ihr!“

    So funktioniert Sozialismus im Herzen einer markwtirtschaftlichen Demokratie. Und wenn man genau darüber nachdenkt, dann führt diese für faule Menschen überlegene Strategie fast unweigerlich zum Untergang einer marktwirtschaftlichen Demokratie. Die Fleißigen und Klugen werden unweigerlich ausgebeutet, bis das System zusammenbricht.

    Diese Ideologie wurde perfekt auf den Punkt gebracht durch das schreckliche Kinderbuch „Frederick“. In dem eine Maus sich systematisch der Daseinsvorsorge entzieht und das noch nicht mal sinnvoll begründet. Aber wenn dann die dunklen und harten Zeiten kommen – dann wird Frederick zum Held, weil er den anderen Mäusen Hoffnung und Zuversicht geben kann. DAS ist die Philosophie unsere sozialistischen Mitbürger: nix tun und wenn es dann hart kommt, mit ein paar wohlfeilen Worten und rotzigem Auftreten „seinen Anteil“ an den Vorräten einfordern.

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    1. Werwohlf Autor

      Das ist in der Tendenz leider wahr. Sozialismus kennt nur das Leben von der Substanz, weil er keine Aussicht hat, Werte neu zu schaffen. Im Zusammenhang mit dem Drang zur Gleichstellung (aka Umverteilung) sägt er den Ast selbst ab, auf dem er sitzt Wir können live zuschauen.

      Antwort

Platz für Senf.

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