Was zum Eigentümerwechsel bei Twitter

Seit feststand, dass Elon Musk der neue Eigentümer von Twitter ist, scheint in „Linkstwitter“ so etwas wie die nackte Panik ausgebrochen zu sein. Man propagiert sogar den Wechsel zu Mastodon, allerdings auf Twitter, was dem Wechsel einen Hauch Glaubwürdigkeit nimmt. Es scheint vor allem zwei Befürchtungen zu geben, die beide sehr Bezeichnendes über die linke Twitter-Blase aussagen.

Befürchtung 1 wäre, dass Musk, wie er auch angekündigt hat, der Redefreiheit einen weitaus höheren Stellenwert beimessen wird als dies noch unter den alten Eigentümern der Fall war. So könnte nicht nur der Account von Ex-Präsident Donald Trump wieder freigegeben werden, auch die inzwischen gängigen Sperren von Usern, die durch das Verbreiten von Fakten gegen woke Tabus verstoßen, könnten ein Ende haben. Mit anderen Worten: Linken könnte widersprochen werden, ohne dass sich der Widerspruch durch massenhaftes Melden unterdrücken ließe. Natürlich wird das anders verpackt, nämlich als Sorge davor, von nun an könnten „Hass und Hetze“ (ein unter Linken übliches Synonym für den oben erwähnten Widerspruch) überhand nehmen und die Gesprächskultur zerstören. Wer als Nicht-Linker oder auch als Linker mit gesundem Menschenverstand (selten, aber existent…) auf Twitter unterwegs ist, wird sich natürlich fragen: Welche Gesprächskultur?

Aber als Musk dann ankündigte, eben nicht jede Art von Beitrag durchlassen zu wollen, kam plötzlich Befürchtung Nummer 2 ins Spiel: Musk werde bestimmt anstreben, linke Stimmen zum Schweigen zu bringen. Dass er selbst kein Linker ist und aus linker Sicht mindestens „umstritten“ (Vorstufe zum Nazi), setzen unsere Freunde mit der anderen Weltsicht das anscheinend als eine Art natürliche Absicht voraus – offenbar vom eigenen Wunschdenken auf das der Anderen geschlossen. Dass man für die Verbreitung anderer Meinungen offen sein kann, muss für diese wackeren Streiter für Demokratie und Menschenrechte anscheinend ein Ding der Unmöglichkeit sein. „Cancel Culture“ ist dann also nicht etwa nur ein Ausrutscher im Überschwang des Eintretens für das Gute und Hehre (das mit dem Wahren hat sich erledigt), sondern zwingende Folge der eigenen Überzeugung.

Doch mit etwas nüchternem Nachdenken (okay, liegt den entsprechenden Protagonisten nicht so) müsste eigentlich klar sein, dass die Realisierung solcher Befürchtungen sehr, sehr unwahrscheinlich ist. Ganz einfach, weil Musk zum Kauf nicht (zumindest nicht nur) in seine Privatschatulle gegriffen, sondern Investoren an Bord geholt hat, um die 44 Milliarden zu stemmen. Und was Investoren so wollen, müsste allgemein bekannt sein: Rendite. Es wäre also kontraproduktiv für das Geschäftsmodell Twitter, würde es nur noch zum Sammelbecken extrem libertärer Sonderlinge oder gar der Alt Right – die tiefen Taschen finden sich vor allem im Mainstream. Was wir also erwarten können, sind zahlreiche neue Ansätze zur Monetarisierung. Die 8 Dollar pro Monat für den blauen Haken sind da erst der Anfang und nebenbei bemerkt ein Zeichen, dass Musk geschickt auf Preisdifferenzierung setzt: Die Aufmerksamkeitsgeilen sind in der Hinsicht die „low hanging fruits“, um mal in der Sprache der Wall Street zu bleiben. Vielleicht kommt noch etwas Druck zu Klarnamen hinzu, denn die Werbeindustrie möchte natürlich Datensätze sinnvoll verbinden können, oder generell eine kleine Abo-Gebühr, die man u.U. mit bestimmten exklusiven Funktionen verknüpfen kann. Was dann auch die mehr oder weniger gewährleistete Anonymität ein weiteres Stück aufweichen würde.

Ob der Werwohlf als zahlungsunwilliger Liebhaber der Verkleidung dann zu Mastodon wechseln (einen Account hat er da schon länger) oder sich die Sache mit den Kurznachrichtendiensten dann ganz schenken würde, ist noch offen. Mehr als ein „Adios!“ wird er dazu aber nicht verlauten lassen, schon gar keine der Tweets der Art, die den unaufgeklärten Leser vermuten lassen, der User befinde sich in einer Art Untergrund, aus dem heraus das Reich des Bösen unter Inkaufnahme wertvoller Opfer bekämpft werden muss.

Es gibt auch ein Leben da draußen.

Ein Gedanke zu „Was zum Eigentümerwechsel bei Twitter

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Platz für Senf.

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