Was zu Vornamen

Dass es politisch von Interesse sein könnte, von welchen Gruppen die Silvester-Krawalle in Berlin, bei denen u.a. Rettungskräfte angegriffen wurden, ausgingen, können eigentlich nur die bezweifeln, die eine Transparenz in diesem Fall verhindern wollen. Natürlich kann man pauschal „junge Männer“ sagen, wird dann aber nicht um die Frage umhin kommen, warum so viele junge Männer eben nicht daran teilnahmen, und ob es nicht eine Konkretisierung dieser Gruppe junger Männer geben könnte, die der eigentlichen Ursache näher auf die Spur käme.

Ein Verdacht in dieser Richtung war, dass Integrationsprobleme eine Rolle spielen könnten. Was aus Sicht des Werwohlfs kaum von der Hand zu weisen ist, wenn eben sogar Rettungskräfte, die ansonsten in der Gesellschaft einhellig gemocht und geschätzt werden, zum Ziel hinterhältiger Angriffe werden.

Aussagen der Polizei, über welche Pässe die jeweils Festgenommenen verfügten, liefern hier auch nur einen ersten Ansatz, vor allem, wenn es erklärtes Ziel der Politik ist, die Pass-Vergabe vom Integrationserfolg abzukoppeln. Kinder von Migranten bekommen schon bisher automatisch die deutsche Staatsbürgerschaft und müssen sich erst bei Volljährigkeit entscheiden, ob die dafür die des Herkunftslandes ihrer Eltern abgeben wollen, die sie aufgrund des in Deutschland neuerdings verpönten, in ihrem Heimatland aber gültigen und dann doch in Deutschland wieder akzeptierten „ius sanguinis“[1] erhalten haben. Wer in solchen Konstellationen wissen möchte, ob es wirklich um Integration gehen könnte, braucht ein anderes Merkmal, anhand dessen er Hinweise darauf erhalten könnte.

Die Berliner CDU hatte da eine Idee. Sie fragte nach den Vornamen der Festgenommenen, was dann einen Sturm der Entrüstung hervor rief, der so groß war, dass sich der Eindruck, an der Sache könnte etwas dran sein, nur verfestigte. Der FDP-Lieblingsminister des Werwohlfs im Kabinett des Schlumpfs, Marco Buschmann, meinte z.B. den Vorschlag so beerdigen zu können:

Einem Juristen sei verziehen, dass er es mit Zahlen nicht so hat, aber der Vorschlag der CDU ist sinnvoll nur in der Hinsicht zu interpretieren, dass es um einen Hinweis darum geht, ob eine bestimmte Gruppe, deren Eltern für eine relativ fantasielose Auswahl ihrer Vornamen bekannt sind und deren Vornamen sich in anderen Gruppen praktisch nie auffinden lassen, unter den ermittelten Tätern eine wichtige Rolle einnimmt oder nicht. Niemand erwartet, viele Marcos oder auch Marios darunter zu finden, und wenn doch, wäre die Ausgangsthese eben zu verwerfen.

Der Furor der Entrüstung richtete sich daher auch gar nicht gegen eine womöglich unzulässige Interpretation von Daten, sondern dagegen, diese Daten überhaupt zugänglich zu machen. Weil, nur so kann man es verstehen, allein schon das Ansinnen, über die Qualifikation „junger Mann“ hinaus andere Anhaltspunkte zu finden, grundsätzlich schon von Übel sei. Der Bundesjustizminister weiß daher auch ganz genau, was das Motiv hinter der Anfrage ist. Woher er das weiß, sagt er nicht, aber das muss er in der hiesigen Medienlandschaft auch nicht.

Die Befürchtung lautet natürlich, vor allem Mohammeds, Alis oder Hassans (und andere Namen aus der islamischen Überlieferung) darunter zu finden. Was den Kreis derer, um die man sich zu bemühen habe, dann etwas eingrenzen würde. „Zu bemühen“ steht hier bewusst, denn all die Strohmänner, wonach es darum ginge, alle Ausländer oder auch nur alle Muslime verantwortlich zu machen und kollektiv auszugrenzen, haben, abgesehen von den üblichen Verdächtigen am rechten Rand, keinen Bezug zur Realität. Unter denjenigen, die strengere Strafen fordern, finden sich z.B. auch viele derer, die eine Liste der Vornamen auf keinen Fall sehen wollen – man kann nur mutmaßen, ob denen die Lage auch so klar ist oder ob es sich um prinzipielle Hardliner handelt. Eigentlich ist aber allen vernünftig denkenden Menschen klar, dass mehr Regression nicht die Lösung sein kann, auch wenn sich das Problem so darstellt wie befürchtet. Denn offensichtlich handelt es sich bei besagter Gruppe auch um eine Minderheit in der Grundgesamtheit, die die erhobenen Merkmale mit ihnen teilt. Im Gegenteil: Es wurde bekannt, wie sehr alteingesessene Menschen mit Migrationshintergrund, ob Deutsche oder Ausländer, die Gewaltexzesse verabscheuten und sich z.T. sogar ein härteres Vorgehen der Polizei gewünscht hätten. Davon, dass sich unter den angegriffenen Rettungskräften eben auch nicht nur „Ur-Arier“ befunden haben dürften, einmal ganz abgesehen.

Daher sind die Schreckensbilder des Rassismus, die im politischen Betrieb wie von Herrn Buschmann dann auch sofort an die Wand gemalt werden, lediglich zum Schutz der eigenen Talking Points à la „Einwanderung hat ausschließlich Vorteile und sollte unbegrenzt stattfinden“ (so allerdings immer nur konkludent und die explizit formuliert) gedacht.

Ebenso natürlich hat sich die Berliner CDU dann nach der Entrüstungswelle sofort in Sack und Asche geworfen und ihrem unsittlichen Ansinnen abgeschworen, also dem geltenden Zeitgeist unterworfen, wie von dieser Partei auch nicht anders zu erwarten. Warum man dort so sehr daran interessiert ist, die AfD am Leben zu erhalten, wäre eine interessante Frage, die noch ihrer Antwort harrt. Also bleibt es wie üblich beim „Nichts Genaues weiß man nicht“, und nachdem der rhetorische Pulverdampf verzogen ist, wird alles beim alten bleiben.

Bis zum nächsten Silvester sollen, geht es nach dem Willen der datenresistenten Fraktion, diverse Verbote ähnliche Vorkommnisse verhindern. Anscheinend waren die Ausschreitungen dieses Mal tatsächlich legal – sonst ließe sich der Glaube an die Wirkung von Verboten kaum erklären. Zumindest, insoweit tatsächlich der Kreis derer getroffen werden soll, die sich dieses Mal besonders übel hervortaten.

[1] In Deutschland wurde „ius sanguinis“ während der Kampagne für die doppelte Staatsbürgerschaft verdammt. Wortwörtlich übersetzt man den lateinischen Begriff als „Recht des Blutes“, aber die eigentliche Entsprechung wäre Abstammungsprinzip. Der „Blutbestandteil“ im Original wurde aber allzu gerne immer wieder hervorgekramt, weil „Blut“ so schön nach Nazi klingt. Gerne wurde noch „Blut und Boden“ hinzugefügt, weil das besonders übel klingt (obwohl von Bismarck und zu einem ganz anderen Thema), kurioserweise nicht berücksichtigend, dass die befürwortete Alternative „ius soli“ („Recht des Bodens“) dann mit dem zweiten Teil des Begriffs zu assoziieren wäre.

Ein Gedanke zu „Was zu Vornamen

  1. Dr. Caligari

    Hallo,

    was soll man dazu auch noch sagen, außer: Willentliche Ignoranz. Man hat sich politisch dazu entschieden, dass (a) den MiGrHi der Straftäter nicht mehr nennt und (b) die Staatsbürgerschaft sowieso nicht.

    Deshalb muss man auf solche Proxies wie Vornamen ausweichen.

    Antwort

Platz für Senf.

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