Was zu Demonstrationen

Der Werwohlf hat noch eine Schuld abzutragen, und er möchte es auch nicht länger aufschieben. Irgendwann neulich geruhte er etwas Abfälliges über das Demonstrationsrecht zu twittern. Daraufhin erreichten ihn zahlreiche[1] Nachfragen mit der Bitte, er möge seine Position doch mal in einem Blogbeitrag ausbreiten. Und er sagte es zu. Dies soll mit diesem Beitrag geschehen.

1 Demonstrationen sind ein Grundrecht

Fangen wir mit dem Punkt an, der vielleicht am meisten für Irritationen sorgen könnte. Auch wenn der Werwohlf von Demonstrationen nicht viel hält  – das Recht dazu ist ein wichtiges Grundrecht und daher auch selbstverständlich im Grundgesetz verankert. Wo Demonstrationen verboten werden bzw. wo man Demonstranten mit staatlicher Gewalt an der Ausübung ihres Rechtes hindert, hat man es in der Regel mit Diktaturen zu tun. In solchen ist das Versammeln, meist unter freiem Himmel, oft die einzige Möglichkeit, Protest zu artikulieren, und damit ein wichtiges Signal an die Mitbürger und die Welt da draußen, dass nicht alles so ist wie von den jeweiligen Staatsmedien dargestellt.

Und nein, die in Deutschland eingeführten Maßnahmen gegen COVID-19 passen nicht in dieses Muster. Am Anfang der Pandemie hat man wohl tatsächlich überreagiert und Demonstrationen an sich verboten, aber solche Entscheidungen sind bald von Gerichten wieder kassiert (in Diktaturen eher unüblich…) und später durch differenzierende, auf das Infektionsrisiko zielende Maßnahmen ersetzt worden. Und wenn es um die gute Sache geht, gelten auch diese Vorschriften nicht mehr so richtig, wie man am Phänomen[2] der deutschen „BLM“-Demos sehen konnte.

2 Demonstrationen sind vor allem Medienereignisse 

A propos Medienphänomen. In Deutschland gibt es praktisch nur einen Grund zu demonstrieren. Um in den Medien vorzukommen. Demonstrationen, die nicht im öffentlich-rechtlichen Fernsehen erwähnt werden, gibt es nicht.

So wird eben dieses Fernsehen nie müde, über die „Ostermärsche“ zu berichten, die in den frühen 80ern des letzten Jahrhunderts mal eine große Sache waren[3], heute aber nur noch ein kleines Häuflein Unentwegter zu bewegen vermögen. Auf der anderen Seite gelten die grundgesetzlich verbürgten Versammlungen nicht als Demonstrationen, sondern als „Aufmärsche“, wenn sie von den Falschen abgehalten werden. Und „Aufmarschfreiheit“ gibt es natürlich nicht, weswegen die „Gegendemonstrationen“, die vor allem dazu dienen, die Demonstrationen der Falschen entweder ganz zu verhindern oder doch auf Orte zu reduzieren, an denen sie möglichst wenig Menschen erreichen, dann in der Regel von den öffentlich-rechtlichen Medien gefeiert werden[4].

Und sollte die Gefahr bestehen, dass trotz großer inhaltlicher Nähe zu den Redakteuren die eigene Demo mal nicht zur Nachrichten-Prime-Time gesendet werden könnte, sorgt man halt für etwas Krawall – Ausschreitungen erhöhen den Mediengesetzen zufolge nicht nur die Legitimität der Botschaft, sondern sorgen auch für publikumswirksamen und damit quotenbringenden Grusel.

3 Demonstrantionen sind nicht repräsentativ

Die bittere Wahrheit ist: Die meisten Menschen wissen Besseres mit ihrer Zeit anzufangen, als an Demonstrationen teilzunehmen. Sie müssen arbeiten, und wenn sie nach Hause kommen, warten dort zahlreiche Verpflichtungen auf sie. Abgesehen vom Bedürfnis nach Erholung vom stressigen Job. Daher findet man auf Demonstrationen in der Regel auch immer die „üblichen Verdächtigen“: junge Leute, die keiner Erwerbsarbeit nachgehen und sich von anderen finanzieren lassen, sei es von den lieben Eltern oder vom Staat. Neuerdings auch den Typus „Wutbürger“, der vor lauter Freizeit als (Früh-)Rentner nicht mehr weiß, wohin mit seinem Eifer.

Daher werden Parlamente und Regierungen auch durch Wahlen bestimmt und nicht durch Akklamation auf Demonstrationen.

Fazit: Das Demonstrationsrecht ist ein wichtiges Recht für alle, denen man es verwehren will. Ansonsten ist es in modernen Medien-Demokratien völlig überbewertet.

[1] Ok, also ein paar. Ein paar wenige. Im Grunde eine.
[2] Darüber, dass ein Land, das aufgrund der globalisierten Medienwelt fremde Gebräuche wie Halloween übernimmt, auch meint, fremde Probleme mit Polizeigewalt adaptieren zu müssen, sollte man sich wohl nicht so sehr wundern.
[3] Dass der fehlende Einfluss der stasi-gestützten „Ostermarschierer“ auf die deutsche Politik eher ein Segen war, der zum Ende des Kalten Krieges und zur deutschen Wiedervereinigung geführt hat, stört weder die Unentwegten noch die wackeren öffentlich-rechtlichen Journalisten.
[4] Wer dem Werwohlf hier Sympathie für die „Aufmarschierer“ unterstellt, sollte lieber seine Position gegenüber Grundrechten „checken“.

2 Gedanken zu „Was zu Demonstrationen

  1. Pressepfarrerin

    Wer auch immer die eine Person war, die nachgefragt hat, bin ich mir ziemlich sicher, dass Sie deswegen nicht in ihrer Schuld stehen bzw. weiß ich das ganz genau. Dass Sie wissen, dass das Recht auf Demonstration ein Grundrecht ist, beruhigt mich nach dem Tweet damals allerdings schon.
    Und ja, natürlich ist eine Demo ein Medienereignis. Wenn Sie (politisch) etwas bewirken wollen, müssen Sie wahrgenommen werden. So ist das Leben.
    Dass trotzdem oft die (vermeintlich) Falschen oder nicht genug oder welche, die auf weiterführendes Engagement keine Lust haben, auf die Straße gehen oder die Medien womöglich nicht wie gewünscht oder angemessen berichten, ist ein Problem, das wir gerade grundsätzlich haben und zu ganz verschiedenen Themen diskutieren, also auch nicht neu.
    (Dazu ist der Satz zu lang, aber ich lass den jetzt so.)
    Mein Fazit ist darum, dass Demonstrationen eine von mehreren politischen Methoden sind und wir erst in der Zusammenschau der Meinungsbildung sehen, wie sich aus der Vielfalt eine repräsentative Entscheidung destilliert. Und wie es bei Methoden ist, sagt einem nicht jede zu. So mögen Sie keine Demo. Dann gehen Sie halt nicht hin.

    Antwort
    1. Werwohlf Autor

      Wenn es nur das wäre…
      Mein Problem ist eher, dass gerne so getan wird, als seien Demonstrationen schon für sich ein Akt demokratischer Willensbildung, nach dem Motto „So viele haben demonstriert, dann muss sich etwas ändern!“, dabei sind sie höchstens eine Vorstufe oder eine Begleitmusik dazu. Der Souverän pflegt sich in Wahlen zu äußern.

      Antwort

Platz für Senf.

Diese Seite verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden..