Immun

Nein, an dieser Stelle und jetzt nichts zum Thema Nr. 1. Als bekennender Kulturpessimist sieht der Werwohlf den drohenden Untergang von [Abendland|Deutschland|Weltwirtschaft] eh voraus und ist sich nur über den Zeitrahmen nicht ganz sicher. Also was auch immer ihr da draußen noch für Horrornachrichten verkündet: Der Werwohlf hat das alles schon eingepreist. Sein ETF-Portfolio auch, aber das ist eine andere Geschichte. Wer braucht noch Rendite, wenn „the world as we know it“ untergeht?

Also tun wir lieber so, als ginge uns das alles nichts an – eine Illusion, die sich im heimeligen Home Office eine Zeit lang gut aufrechterhalten lässt. Die von Amazon gelieferten 36 Rollen sollten bei Abwesenheit einer Infektion[1] das unmittelbare Überleben sicherstellen.

Es geht hier also wie gewohnt weiter. Der Werwohlf motzt über das, was ihn ärgert. Diesmal war es ein Text aus der „Zeit“, dem „liberalen Wochenblatt“, wie es trotz täglichen Gegenteilsbeweises immer wieder gerne genannt wird. Etiketten halten eben oft länger als das Produkt.

Hier stört es den Qualitätsjournalisten, Herrn Lenz Jacobsen, offensichtlich, dass die NZZ sich erdreistet, andere Meinungen zu veröffentlichen als die, die wir nicht nur vom „liberalen Wochenblatt“, sondern auch von fast allen anderen größeren Zeitungen und Zeitschriften gewohnt sind, geschweige denn von den öffentlich-rechtlichen Medien.  Und Herr Jacobsen hat noch ein anderes Problem: Die NZZ gilt auch in seinen Kreisen als seriöses Blatt, nicht zu vergleichen mit den Schmuddelkindern à la „Tichys Einblick“ oder „Achse des Guten“.

Aber immerhin: Es handelt sich um Ausländer! Was erlaube Schweizer? Und noch schlimmer: Die Schweizer sind mehrheitlich gar keine, sondern Deutsche. Deutsche, die aus Deutschland für eine Schweizer Zeitung schreiben und (daher?) nicht auf Linie sind. Wie ungehörig.

Was machen sie falsch, diese verkappten Schweizer? Die „Rechten“ mögen sie. Mit Kleinigkeiten, wer diese „Rechten“ sind und wie man sie von anderen, durchaus honorigen Menschen unterscheiden kann, hält sich der Artikel nicht auf. Er setzt es wohl als bekannt voraus. Und in der Tat dürfte seinem Publikum klar sein: Rechts ist alles, was nicht so links ist wie wir. Als Kronzeugen der eigenen Sache zitiert Herr Jacobsen Redakteure der NZZ aus der Schweiz, denen diese Richtung des deutschen Ablegers nicht passt. Nun sind Schweizer an sich nicht unbedingt konfliktfreudig, aber Konflikte entstehen in Deutschland zwangsweise, wenn man sich eine Meinung leistet, die nicht als mehrheitskonform abgesegnet wurde. Dass der ehemalige Verfassungsschutzpräsident Maaßen die NZZ mal überspitzt als „Westfernsehen“ bezeichnete, ist für den gestandenen Qualitätsjournalisten natürlich kein Anlass zur Selbstkritik, sondern vor allem Beleg für den anrüchigen Charakter der Deutschland-Redaktion des Blattes. Wirklich.

Der Rest des Beitrags besteht aus „guilt by association“- Geraune. Und dem interessanten Credo, dass es nicht sein darf, wenn „Rechten“ ein Text gefällt. Übersetzt: Kritik an links motivierter Politik darf nicht sein. Normalerweise gefällt die nämlich, das liegt meist in der Natur der Sache, Liberalen oder auch Konservativen. Aber wenn sie auch noch „Rechten“ gefällt, und wer sollte sie daran hindern, dann ist das verwerflich.

Und jetzt schließt sich der Kreis, denn was wir hier vor uns haben, ist: Immunisierung.

[1] Es kann den Werwohlf natürlich auch noch an jedem der kommenden Tage erwischen.

Platz für Senf.

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