Anders reicht?

Sie werden es kennen.

Es wird eine Diskussion über ökonomische Themen geführt, bei der sich herausstellt, dass die Ergebnisse, wie sie aus der gegenwärtigen marktwirtschaftlichen Ordnung heraus entstehen, nicht dem entsprechen, was die Diskutierenden sich wünschen würden. Es dauert dann nicht lange, bis jemand die Forderung aufstellt: Hier muss der Staat intervenieren und die Weichen in die richtige Richtung stellen. Manchmal schließt sich an diese Themen- eine Meta-Diskussion an, in der es darum geht, ob Märkte wirklich so perfekte Lösungen liefern, dass Staatseingriffe immer falsch sind, oder ob es nicht auf der Hand läge, dass Märkte nicht immer das liefern, was man von ihnen gerne hätte, so dass Staatseingriffe immer wieder geboten seien.

Irgendein Halb-Gebildeter wird dann vielleicht auch mal den Begriff des „Marktversagens“ in den Raum werfen. Dazu sei an dieser Stelle nur mal schnell gesagt: „Marktversagen“ gibt es schon seit Ewigkeiten als Begriff der Finanzwissenschaft. Damit ist aber nicht das „Versagen“ von Märkten gemeint, das sie bei der Herstellung paradiesischer Zustände an den Tag legen, sondern der Begriff soll Zustände beschreiben, in denen Märkte nicht so funktionieren, wie sie das in neoklassischen[1] Modellwelten zu tun pflegen.

Abrupter Wechsel der Ebene. Es wird eine Diskussion über bestimmte Regionen in dieser Welt geführt. Man stellt fest, dass im betrachteten Gebiet viele Menschen unter einer militärischen Auseinandersetzung leiden, die nur deshalb nicht als Krieg bezeichnet wird, weil sich im Land des Schlachtfelds selbst auch diverse Feinde gegenüberstehen. Das Leiden wird, durch Medienbilder dokumentiert, immer wieder neu ins Bewusstsein der Menschen außerhalb gerufen. Und es dauert nicht lange, bis der Ruf laut wird, einzugreifen. In Deutschland heißt sowas, weil man selbst ja glücklicherweise nicht in der Lage dazu ist, im Zweifel: Die Amerikaner aufzufordern, ihre ganze Militärmacht einzusetzen. Wenn sie es nicht tun, hat diesmal nicht der Markt, sondern „der Westen“ versagt.

Beide Argumentationen gleichen sich. Vor allem in einem Punkt: Die Analyse endet beim Ist-Zustand. Bedingungen und Folgen der jeweils gewünschten Intervention werden nicht betrachtet. Wer als Verfechter des „Man muss doch was tun“ sich dieser Schwäche bewusst ist, wird dann gerne versuchen, den Ist-Zustand als moralisch derart unhaltbar zu verurteilen, dass die Option des Nicht-Eingreifens unbedingt wegfallen müsste.

Was die Aufdeckung der Probleme mit diesen Argumenten betrifft, ist die Ökonomie in einer vergleichsweise komfortablen Situation. Leute wie Nobelpreisträger Buchanan haben sich dort nämlich schon länger mit der Frage beschäftigt, wie denn die Problemlösungskompetenz des „Deus ex machina“ Staat wirklich aussieht. Und die Erkenntnisse dieser Forschung lassen doch erhebliche Zweifel aufkommen, ob der Staat, wenn er denn tatsächlich als Retter in der Not angerufen wird, auch überhaupt aufgrund seiner eigenen Schwächen in der Lage wäre, das vermeintliche oder tatsächliche „Marktversagen“ zu korrigieren. Oder ob dessen Eingriffe nicht an der falschen Stelle, mit der falschen Dosis, zum falschen Zeitpunkt oder überhaupt in Unkenntnis der Zusammenhänge erfolgten – was in den meisten Fällen eher zutrifft als nicht. Allein in besonderen Krisensituationen, in denen das Chaos schon mit den Händen zu greifen ist, ist auf jeden Fall der Staat gefordert – aber selbst da kann er noch viel mehr falsch als richtig machen. Eine Volkswirtschaft ist ein viel zu komplexes System für einfache Lösungen.

Was den Umgang mit kriegerischen Konflikten im Medienzeitalter angeht, scheint es eine Forschung mit vergleichsweiser Autorität nicht zu geben – oder sie ist dem Werwohlf nicht bekannt. Aber auch hier sollte man eigentlich aufgrund vergangener Waffengänge gelernt haben, dass ein gewaltsamer Eingriff von außen eine generelle Konfliktlage niemals ent-, sondern fast immer verschärft. Gerne wird hier das Gegenbeispiel des Krieges der Alliierten gegen Nazi-Deutschland genannt, aber dass dieser Krieg letztlich als Erfolg zu werten war, lag an vielen Dingen, die heutzutage eher nicht zutreffen. Da wäre zum einen die besondere, einmalige Unmenschlichkeit der quasi-industriell organisierten Vernichtung eines Teil der einheimischen und eroberten Bevölkerung allein wegen einer (auch noch in vielen Fällen willkürlich entschiedenen) Zugehörigkeit zu einer Gruppe – die allerdings vermutlich nie zum Kriegsgrund gereicht hätte, so dass bis auf das Vereinigte Königreich erst Hitler den später Beteiligten den Krieg erklären musste, verbal oder faktisch. Dennoch spielte diese Tatsache eine wichtige Rolle im Zusammenhang mit dem weiteren Ergebnis des Krieges – der totalen Niederwerfung Deutschlands, bis hin zur Teilung. Die alte Herrschaft Deutschlands war damit durch und durch diskreditiert – nicht nur, dass sie letztlich gegenüber den ausländischen Mächten kapitulieren musste, sie war auch moralisch entlarvt und vorgeführt.

Es ist äußerst unwahrscheinlich, dass ein Eingreifen z.B. der NATO im Syrien-Konflikt denselben Effekt hätte. Man könnte ihn auch erst gar nicht anstreben. Es ist aufgrund der Erfahrungen mit ähnlichen Konflikten eher im Gegenteil zu befürchten, dass das Ergebnis ein äußerst unerwünschtes wäre, also z.B. die Herrschaft durch eine kriegsgeile Clique oder eine bald durch Terroristen ausgenutzte anarchische Situation.

Es gibt allerdings doch einen Unterschied. Die „Eingreif-„, also Kriegsfans werden selten konkret, wer denn da ihrer Meinung nach wie einzugreifen habe. Sie beschränken sich meist auf das Anklagen. Das mag damit zusammenhängen, dass mehr Menschen einen intuitiven Einblick in solche Zusammenhänge haben (und weniger in ökonomische), so dass konkrete Forderungen schnell in die Gefahr liefen, auf ihre Tauglichkeit abgeklopft zu werden – was wegen der o.g. Gründe aus Sicht der Befürworter nicht wünschenswert sein kann.

Für alle Schwerbegreifenden: Dass hier so viel Kritik an „Eingriffen“ geübt wird, heißt nicht, dass sie nicht doch ab und an geboten sein können, sowohl militärisch als auch ökonomisch. Nur vermisst der Werwohlf in den meisten Fällen eine entsprechende argumentative Grundlage.

 

[1] „Neoklassisch“ und „neoliberal“ wird von Journalisten gerne in einen Topf geworfen. Nach dem Motto: Wenn eine gemeinsame Vorsilbe nicht ausreicht, was dann? 😉 An dieser Stelle sei nur gesagt: Es gibt linke Neoklassiker und (neo-)liberale Neokeynesianer. Eine Methode unterscheidet sich nun einmal von einer wirtschaftspolitischen Ausrichtung. Wissenschaftler wissen das.

8 Gedanken zu „Anders reicht?

  1. erlingplaethe

    Die ganz fiesen „Eingreiffans“, wie du sie nennst, argumentieren, man hätte damit beginnen sollen, bevor an diesem Krieg die Al-Qaida im Irak wieder auferstehen konnte. Damals hätte man auch noch Partner finden können.
    Nachdem diese Chance durch Obamas „leading from behind“ vergeben wurde, blieben und bleibt nur noch das Angebot Saudi-Arabiens dort die geplante Säuberung des Landes von Sunniten, egal ob extremistisch oder nicht, zu verhindern.
    Du hast recht, dieses Eingreifen wird selten, man kann auch sagen: so gut wie nie, zu Ende gedacht.
    Was der Westen, was Obama versäumt hat und was die Vorraussetzung für ein Eingreifen, wo auch immer, ist, das sind Partner zu finden. Auch für die Zeit nach dem Krieg.
    Die hätte es gegeben.
    Aber sie bekamen zu Beginn des Kriegs von Assad gegen sein Volk nicht die Unterstützung, die sie zu Partnern machen hätte können. Umso barbarischer der Krieg wurde, um so mehr radikalisierten diese sich.
    Und viele, sehr viele im Westen kalkulierten damals:
    Wenn sich Assad in diesem Krieg aufreibt (ich erinnere nur an Stratfor, das das Ende Assads schon zu Beginn des Krieges vorhersagte) wird das letztlich den Iran schwächen und ihn zum Einlenken bei seinen Kernwaffenplänen bringen. In Russland sah man keine Gefahr, weil man seine militärischen Fähigkeiten zum Führen von konventionellen Einsätzen völlig unterschätzte.
    Der Westen ist schwach, weil Amerika beschloss schwach zu sein. Für Europa war Syrien von Anfang an eine Nummer zu groß.
    Wer nachdem was in Syrien und dem Irak passiert ist, meint, von einem Eingreifen sollte man grundsätzlich absehen, denkt seinerseits das Zuschauen nicht zu Ende, finde ich.
    Das hat mindestens so verheerende Folgen wie das Eingreifen. Auf den Irak und Syrien bezogen sogar verheerendere.
    Dafür muss man allerdings bedenken, dass der Gründer des Vorläufers von Al Qaida im Irak, al-Zarqawi, vor den Amerikanern einen Stützpunkt im Irak besaß.

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    1. Werwohlf Autor

      Was der Westen, was Obama versäumt hat und was die Vorraussetzung für ein Eingreifen, wo auch immer, ist, das sind Partner zu finden. Auch für die Zeit nach dem Krieg.
      Die hätte es gegeben.

      Sicher? Ich halte das für zumindest diskutabel.

      Wer nachdem was in Syrien und dem Irak passiert ist, meint, von einem Eingreifen sollte man grundsätzlich absehen, denkt seinerseits das Zuschauen nicht zu Ende, finde ich.

      Ist, wie gesagt, nicht meine Einstellung. Aber ich gebe auch zu: Das bisher Vorgebrachte überzeugt mich nicht.

      Bisher sehe ich bei allen Entscheidungen, die von den einschlägigen Kreisen a priori hochgelobt wurden, a posteriori negative Entwicklungen. Irak-Krieg: Stärkung des Iran und von ISIS. „Arabischer Frühling“: Anarchie in Libyen, Tumult in Ägypten inkl. Rückkehr zur alten Ordnung nach vielen Opfern vor allem unter den Kopten, mehr Demokratie in Tunesien (die positive Ausnahme!), Bürgerkrieg in Syrien, unsichere Lage in Algerien und mehr Terror überall.

      Für mich gibt es einen ziemlich sicheren Maßstab, was im Nahen Osten zu geschehen hat: Man frage die Israelis. Es gibt niemanden, der sensibler auf Bedrohungen reagiert, und niemanden, der mehr Interesse an stabilen Zuständen dort hat.

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      1. erlingplaethe

        Der Irak-Krieg hatte nicht zum Ziel einen möglichen stärkeren Einfluss des Iran zu unterbinden. Eher im Gegenteil waren gute Beziehungen zwischen beiden Ländern doch ein Garant für einen friedlicheren Irak.
        Der Irak als eine permanente Gefahr für seine Nachbarn und für die Stabilität in der Region war der Grund für den Krieg.
        Vielleicht wurde das Hegemoniebedürfnis des Iran unterschätzt oder seine Angst angegriffen zu werden.
        Amerika suchte und sucht bis heute bessere Beziehungen zum Iran. Diese Suche hat der Iran geschickt für sich zu nutzen gewusst.

        Noch verkürzter und geradezu falsch finde ich es zu behaupten, Amerika hätte den ISIS gestärkt. Das Gegenteil ist viel zutreffender. Denn der Vorläufer des ISIS, Zarqawis Organisation, war vor den Amerikanern im Irak und schon 2003 suchte er den Krieg zwischen Sunniten und Schiiten mit Terroranschlägen auf Schiiten und ihre Moscheen zu entfachen. Zarqawi führte einen Krieg an zwei Fronten: Gegen die Amerikaner und gegen die Schiiten. Sein Hass auf Schiiten war dann auch der Grund für das Zerwürfnis mit der Al Qaida Führung.
        Mit der Tötung Zarqawis 2006 und der Zerschlagung seiner Organisation, mit der Unterstützung sunnitischer Stammesführer, war das Thema Al Qaida im Irak erledigt. Die Reste gingen nach Syrien um in und durch den Krieg Assads gegen die Revolte wieder aufzuerstehen.
        Assad hat ISIS hervorgebracht und nicht die Amerikaner.

        Zu den anderen Beispielen möchte ich nur so viel sagen:
        Es handelt sich bei den Revolten in Nordafrika um Aufstände die überall unter starkem Einfluss von religiösen Extremisten standen. Deren Ziel war der Sturz der jeweiligen Despoten und die Errichtung von Gottesstaaten. Diese Bewegungen haben wenig mit dem zu tun was Amerika im Nahen Osten tut oder unterlässt. Vielmehr nutzen sie den durch die Entstehung von Al Qaida aufblühenden internationalen Terrorismus und eine sich ausbreitende Radikalisierung des Islam sowohl unter Schiiten wie auch unter Sunniten.

        Natürlich treibt der stärker gewordene Einfluss des Iran die Spannungen zwischen dem Iran und den Golfstaaten an, aber erst der Syrienkrieg brachte diese große Anzahl an aktiven Dschihadisten hervor.
        Die Einflussmöglichkeiten des Westens im Allgemeinen und Amerika im Besonderen werden etwas überschätzt, denke ich.

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        1. Werwohlf Autor

          Der Irak-Krieg hatte nicht zum Ziel einen möglichen stärkeren Einfluss des Iran zu unterbinden.

          Das wäre auch noch absurder gewesen.

          Vielleicht wurde das Hegemoniebedürfnis des Iran unterschätzt oder seine Angst angegriffen zu werden.

          Ersteres muss wahnsinnig schwer gefallen sein.

          Noch verkürzter und geradezu falsch finde ich es zu behaupten, Amerika hätte den ISIS gestärkt. Das Gegenteil ist viel zutreffender.

          Assad hat ISIS hervorgebracht und nicht die Amerikaner.

          Dem Argument könnte man etwas abgewinnen, wenn ISIS ein syrisches Phänomen wäre. Ist es aber nicht. Das Kalifat wurde in Mossul ausgerufen, und das ist kein Zufall. Eins der Ergebnisse des bestenfalls naiv zu nennenden Irakkriegs war eine schiitisch dominierte Regierung in Bagdad, die zusammen mit einem der Kernfehler der Amerikaner, der Nicht-Einbindung zum Opportunismus bereiter alter Kräfte aus Saddams Dunstkreis, dafür sorgte, dass sich im Land ein sunnitischer Widerstand bildete, der sich auf die Expertise erfahrener Militärs stützen konnte. Dieser Widerstand gipfelte im irakischen ISIS – da kann man sich stundenlang streiten, wer da wen instrumentalisiert hat, aber ohne die beiden eben genannten Hauptingredienzen hätte es ISIS im Irak nie gegeben.
          Was Assad und seinen Bürgerkrieg betrifft: Mir kann keiner erzählen, die Amerikaner hätten nicht kräftig den Sturz Assads betrieben. Sie haben nur seinen Durchhaltewillen, seine Gewaltbereitschaft und seine internationale Unterstützung unterschätzt.

          Es handelt sich bei den Revolten in Nordafrika um Aufstände die überall unter starkem Einfluss von religiösen Extremisten standen. Deren Ziel war der Sturz der jeweiligen Despoten und die Errichtung von Gottesstaaten. Diese Bewegungen haben wenig mit dem zu tun was Amerika im Nahen Osten tut oder unterlässt.

          Das sehe ich anders. Der „Arabische Frühling“ war vor allem die westliche Inszenierung eines zunächst überwiegend aus der urbanen Jugend hervorgegangenen Protestes gegen die alten Regime. Ich kann mich noch sehr gut daran erinnern, wie sich Leute aus meiner damals liberal dominierten Timeline vor Begeisterung geradezu überschlugen und jede leise Skepsis an den Erfolgsaussichten, wie ich sie zu äußern pflegte, in Bausch und Bogen verdammten, gerne auch mal als „rassistisch“ oder „islamophob“. Juchhu, endlich ein westlich orientierte Protest in den arabischen Ländern, und sie verwenden auch noch die unsere sozialen Medien dazu!! Da wurde jeder Twitterer quasi mit zum Revolutionär der guten Sache. Und mir wurde klar, dass viele angeblich Liberale vom Mindset her auch nur verhinderte (oder Ex-) Sozialisten sind.
          Als aus Konsequent dieses Protestes der Ruf nach freien Wahlen laut wurde, kam dann aber auch der Rest der Welt ins Spiel, und das war dann der passive Teil der Bevölkerung, Städter, denen das Konzept einer Demonstration fremd war, und vor allem die arabische Landbevölkerung – ein fruchtbarer Acker der Islamisten, der am ganzen Theater vorher zwar nicht teilnahm, ihnen aber letztlich die nötigen Mehrheiten sicherte.
          Oder es ging aus wie in Libyen – ein Staat, dem eine westliche Koalition seinen Diktator wegbombte und dadurch den Weg freimachte für eine clan-dominierte Anarchie, die uns jetzt diverse Flüchtlingsboote beschert. Wenigstens gibt es eine halbwegs positive Erfolgsstory in Tunesien, die aber angesichts der Probleme des Landes auch sehr brüchig ist.
          Ich kann mir nicht helfen: Dieser liberale Fortschrittsglaube, man müsse nur überall die alten Diktatoren beseitigen, damit eine unterdrückte Bevölkerung endlich ihrem ureigenen Wunsch nach einer liberalen Demokratie Ausdruck verlangen kann, ist zwar herzerfrischend naiv, gebiert aber so gut wie überall nur das Schlechte. Mir sind US-Präsidentschaftsbewerber sympathisch, die nicht mal wissen, wo Aleppo liegt.

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  2. erlingplaethe

    Die Geschichte des ISIS beginnt nicht in Mossul. Er ist in Falludscha groß geworden und wurde dann von Sunniten vernichtet. Assad ermöglichte die Wiedergeburt.
    Die hat nichts mit den Amerikanern zu tun. Dass es der ISIS erneut schaffte unter den Sunniten im Irak Fuß zu fassen, ist das Ergebnis der schiitischen Gewaltherrschaft im Irak die unter erheblichem Einfluss des Iran steht, keine Frage.
    Nur stimmt es einfach nicht, dass die Amerikaner die Sunniten nicht einbanden. Gerade weil sie es erfolgreich taten, war ja der ISIS im Irak zerstört worden. Nur fühlten sich viele Stammesführer die am sunnitischen Erwachen beteiligt waren, von Maliki betrogen weil er ihnen die politische Teilhabe verwerte.
    Dafür können aber nicht die Amerikaner verantwortlich gemacht werden, die den Irak verlassen sollten und mit dem Einfluss des Iran nicht mehr konkurrieren konnten.
    Damit waren die Bedingungen für den ISIS geschaffen auch im Irak wieder aufzuerstehen.
    Und wenn Dir keiner erzählen kann die Amerikaner hätten nicht kräftig den Sturz Assads betrieben, werde ich nicht damit anfangen. Erfolg hatten sie jedenfalls nicht, wie auch, ohne Partner. Es gibt eine Reihe kläglich gescheiterter und sehr peinlicher Versuche die heutzutage dazu dienen den Amerikanern die Bewaffnung des ISIS vorzuwerfen.

    Was den arabischen Frühling anbelangt sollte man eine mediale Inzenierung nicht mit Einfluss verwechseln.
    In Tunesien und Ägypten haben schnell die Islamisten das Heft des Handelns in die Habd genommen. Im Fall Ägyptens konnte man das sogar live sehen in Form öffentlicher Gebete un erfahren in Berichten über Massenvergewaltigungen von Frauen die als erste von der Strasse verdrängt wurden.

    Ich bin gar nicht der Ansicht dass der Westen überall in der Welt Diktatoren beseitigen sollte um der Demokratie zum Durchbruch zu verhelfen. Und mir ist auch kein ernstzunehmender nahostpolitischer Beitrag bekannt, wo das so gefordert wurde. Man sollte den üblichen Medienrummel, insbesondere in Deutschland, zu außenpolitischen Themen dieser Region nicht mit den ernsthaften Überlegungen vermischen die bei 400.000 Toten in 5 Jahren Bürgerkrieg angestellt werden.
    Ich lese gute Argumente für und gegen ein Eingreifen wenn ein Staat seine Nachbarn mit einem Krieg nach dem anderen überzieht oder mit einem Religions- oder Stellvertreterkrieg einen ganzen Terrorstaat entstehen lässt.
    Wenn ich die Rolle der Amerikaner differenzierter sehe, heißt das nicht, dass ich zu den Eingrifffans gehöre. Ich habe dazu keine klare befürwortende oder ablehnende Meinung.

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    1. Werwohlf Autor

      Dafür können aber nicht die Amerikaner verantwortlich gemacht werden, die den Irak verlassen sollten und mit dem Einfluss des Iran nicht mehr konkurrieren konnten.

      Das ist ja das Problem mit Interventionen: Unintended consequences. Es reicht eben nicht aus, einfach nur Situation X schlecht zu finden, man muss auch in der Lage sein, alle Folgen und darunter vor allem auch die langfristigen einschätzen zu können. Das ist man in einer solch komplexen Gemengelage wie im Nahen Osten ganz sicher nie. Ürbigens betrifft das nicht nur die Lage am Ort des Geschehens, auch die an der Heimatfront. Es ist ein bisschen arg billig, so einen Krieg loszutreten und die Verkündigung der Botschaft, die immer wieder mit blutigen Opfern verbundene Besatzungszeit müsse man jetzt aber noch ein paar Jahrzehntchen durchhalten, weil man nach einem Abzug die Geschehnisse nicht mehr unter Kontrolle hätte, dem Nachfolger im Amt zu überlassen. Egal unter welchem anderen Präsidenten, die amerikanischen Wählern hätten eine derart lange Anwesenheit ihrer Truppen in dem fernen Land, das für sie nie eine Bedrohung darstellte, nie zugelassen. Und sowas muss man im Kalkül haben, bevor man losschlägt.

      Und wenn Dir keiner erzählen kann die Amerikaner hätten nicht kräftig den Sturz Assads betrieben, werde ich nicht damit anfangen. Erfolg hatten sie jedenfalls nicht, wie auch, ohne Partner.

      Die Amis waren und sind ja auch nicht die Einzigen, die da mitmischen.

      In Tunesien und Ägypten haben schnell die Islamisten das Heft des Handelns in die Habd genommen.

      Natürlich, denn die waren auf solche Situationen vorbereitet und hatten die entsprechende Organisation. Aber dass westliche Geheimdienste am Ausbruch mit beteiligt waren, ist – übrigens gerade auch wegen der perfekten Medieninszenierung – sonnenklar. Aber wieder haben sie die Konsequenzen ihres Handelns falsch eingeschätzt. In Ägypten ließ sich das (vorübergehend?) durch die Re-Installation des alten Systems mit anderen Köpfen korrigieren, in Tunesien durch eine Einbindung der Islamisten, ermöglicht durch enge persönliche Beziehungen der Parteien. In Libyen lief es ganz aus dem Ruder, und was in Syrien abgeht, sehen wir ja jetzt.

      Dieser ganze Interventionismus ist eine Anmaßung von Wissen. Nicht umsonst nenne ich militärische und ökonomische Fälle zugleich. Hier wie da werden die beabsichtigten Folgen oder immerhin schon die zunächst unmittelbaren als moralisch geboten und alternativlos hingestellt (notfalls durch Rückgriff auf WW II bzw. die Nazi-Zeit), und später tut man so, als hätten die mittelbaren und unbeabsichtigten Folgen mit der Maßnahme aber nun mal rein gar nichts mehr zu tun und hat dann auch meist die passenden Sündenböcke parat. Wenn es nicht im echten Leben so üble Konsequenzen hätte, müsste man dieses sich immer wiederholende Schauspiel mittlerweile langweilig finden.

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  3. erlingplaethe

    Mir sind US-Präsidentschaftsbewerber sympathisch, die nicht mal wissen, wo Aleppo liegt.

    Ein paar Worte noch dazu. Obamas Außenpolitik war geprägt von einer Doktrin, dem leading from behind. Der wusste zwar wo Aleppo liegt wollte aber nie Eingreifen. Wie gesagt, ich sehe gute Gründe. Einer ist die Abwesenheit halbwegs verlässlicher Partner, etwa so wie die Peschmerga im Nordirak.
    Aber es gab noch mehr gute Gründe, wie Russland als Partner
    Assads. Überhaupt war das sicher der schwerwiegendste Grund. Dann ist da noch der Sicherheitsrat ohne den ein Eingreifen erhebliche Spannungen auslöst, auch hier in Bezug auf Russland.
    Die Bilanz des Präsidenten der den Eindruck machte er wüsste nicht wo Aleppo liegt, fällt ernüchternd aus:
    Russland ist in der Region stark wie niemals seit dem 2.WK, der Iran hat mit Hilfe Russlands aus Syrien einen iranischen Satelitenstaat grmacht mit der Folge, dass Israel sich Russland als tonangebender Großmacht zuwenden muss um seine Sicherheit zu gewährleisten.
    Selbst wenn ich in unserer Diskussion den Vorwurf an G.W. Bush unwidersprochen hinnähme, seine Bilanz ist ein vom Iran gesteuerter Irak der der außerstande ist sein Staatsgebiet zu kontrollieren, ist Obamas Bilanz verheerender.
    Er hat mit seiner Politik zum Erwachen der untergegangenen Sowjetunion beigetragen, seinen Partnern unter den Golfstaaten Amerika als Vermittler entfremdet und dem Iran mit dem „Atomdeal“ letztlich in seinem Hegemonialbestreben nicht nur bestärkt sondern auch noch den Weg zur Finanzierung freigemacht. Was für die Wende im Syrienkrieg sicher nicht unerheblich war.
    Der Präsidentschaftkandidat der heute nicht so richtig weiß wo Aleppo liegt, würde dem noch eins drauf setzen und Teile des freien Europas Russland überlassen und die NATO schwächen.
    Solche isolationistischen Präsidenten können weit mehr Schaden anrichten, als es Eingrifffans wie Bush je taten.

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    1. Werwohlf Autor

      Ich wüsste nicht, was ein anderer Präsident viel besser gemacht hätte. Gut, Romney war weitsichtiger, was die Rolle Russlands angeht, und wäre auch vielleicht den Atomdeal mit dem Irak nicht eingegangen (m.E. tatsächlich Obamas größter Fehler, zusammen mit der Entfremdung von Israel). Aber die Stimmung im Land ist eben nicht interventionistisch, und auf sowas hatte selbst Roosevelt Rücksicht genommen, bis ihm Pearl Harbor endlich die Bevölkerung an die Seite brachte.

      Und ein lupenreiner Non-Interventionist war Obama eben auch nicht. Libyen hat er durch militärisches Eingreifen mit versaut, und am arabischen Frühling sowie dem Bürgerkrieg in Syrien sind seine Geheimdienste eifrig mit beteiligt, ganz zu schweigen von den Bombardierungen gegen den IS.

      Manchmal muss man eingreifen, aber wenn der Westen schlau ist, beschränkt er sich auf die Fälle, wo ureigene Interessen berührt sind und folgt eben weder der Neocon-Ideologie.noch plakativen Fernsehbildern.

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