Was zu Maaßen

Man kann die Führung der CDU verstehen: Was der ehemalige Präsident des Bundesamts für Verfassungsschutz in der Öffentlichkeit von sich gibt, entspricht kaum dem, was ein gewählter Repräsentant der Partei so sagen würde, und dann lässt er sich noch an die Spitze einer Organisation wählen, die ihre Prominenz vor allem Twitter und der journalistischen Lust an Konflikten verdankt und deren letzter Vorsitzender bereits aus der Partei ausgeschlossen wurde. Und der Werwohlf als bekennender Individualist ist keiner, dessen Ratschläge in dieser Angelegenheit besonderes Gewicht hätten.

Ob also „HG“ Maaßen in der CDU bleibt oder nicht, geht ihm dann doch am pelzigen Hinterteil vorbei. Überhaupt verwundert ihn die Öffentlichkeit, die aus einem parteiinternen Sonderling und einer unbedeutenden Gruppierung eine Schicksalsfrage für die CDU meint machen zu müssen. Oder besser: Sie verwundert ihn nicht, denn es steckt eine Absicht dahinter, die nur allzu offensichtlich ist. Als die Thesen Sarrazins[1] von seinen Gegnern ausreichend genug auf ein empörungsgerechtes Format zurechtgeschnitten worden waren, um fortan nur noch als rechtsextremer Gottseibeiuns in den Gazetten sein Unwesen zu treiben, wäre der Gedanke jedermann absurd erschienen, sie der SPD zuzuschreiben und diese Partei ständig dazu zu drängen, sich von ihrem unliebsamen Mitglied zu distanzieren und loszusagen.

Bei der CDU ist das anders. Thomas Schmid nimmt diese Ungleichbehandlung noch als eine unveränderliches Los der Partei hin, dabei handelt es sich hier aber um ein echtes Demokratiedefizit, für das nach Ansicht des Werwohlf vor allem die politisch nicht gerade objektiven Medien verantwortlich sind. Während das politische Pegel so weit nach links ausschlagen darf, wie es nur geht, ohne dass daran irgendwelche Folgen geknüpft wären, gilt jede Abweichung von der gerade gültigen Linie in die andere Richtung als erster Schritt in den Faschismus/Nationalsozialismus.

An dieser Stelle sei aus aktuellem Anlass, dem zehnjährigen Jubiläum der AfD, dem Werwohlf ein kleiner, vertiefender Exkurs gestattet. Sowohl die FAZ als auch die taz widmen diesem Ereignis längere Beiträge, die man nach Ansicht des ehemaligen Parteimitglieds Werwohlf als durchaus lesenswert bezeichnen kann. Obwohl beide Autoren nicht aus ihrer Haut können, bemühen sie sich doch um eine vielschichtigere Betrachtung des (relativen) Erfolgs dieser Partei, als man bisher meist lesen musste. Insbesondere die zunehmende Radikalisierung wird ganz gut dokumentiert, und die nach Ansicht des Werwohlfs maßgeblichen Gründe dafür werden auch angeführt.

Im Artikel auf faz.net wird eine Klage der Gründer genannt, die der Werwohlf aus eigener Erinnerung als besonders relevant ansieht:

Viele der gescheiterten AfD-Gründer sind aber der Meinung, dass sie von den Medien zu Unrecht als rechte Partei bezeichnet wurden und dass dann Rechte in die Partei kamen, weil sie in der Zeitung gelesen hatten, dass sie dort richtig sind.

https://www.faz.net/aktuell/politik/inland/zehn-jahre-afd-und-was-die-gruender-falsch-gemacht-haben-18651938.html

Dem Werwohlf ist in Erinnerung, dass selbst in den ersten Tagen der Partei, als auch er sich zum Beitritt entschloss, von links und damit automatisch auch in den öffentlich-rechtlichen Medien[2], diese sofort unter den üblichen Nazi-Verdacht gestellt wurde. Gegen den Euro, das konnten natürlich nur üble Nationalisten sein[3], was auch ein von der taz herbeizitierter, nicht gerade unparteilicher „Forscher“ gerne bestätigt, und wenn in der Programmatik der Partei nichts Verdächtiges zu finden war, konnte es nur daran liegen, dass sie ihre „wahren“ Absichten gut zu verschleiern wusste. Von Anfang an galt es als ausgemacht, dass eine Partei rechts von der CDU nur eine rechtsextreme sein konnte, gleichgültig, wie sehr nach links sich die CDU unter Merkel auch bewegt hatte. Eben das war auch das Kalkül der Vorsitzenden: Alles rechts von der Union würde jenseits kleinerer Gruppen Unzufriedener keinen Widerhall finden, während in der „neuen Mitte“, insbesondere im „grünen“ Terrain, die CDU zumindest so sehr hinter der Kanzlerin verschwinden konnte, dass es nicht zu einer Mobilisierung gegen sie reichte. Dieses Kalkül ging auch oft genug auf, um die von oben erwünschten schwarz-grünen (oder grün-schwarzen) Koalitionen hervorzubringen, aber zu oft auch nicht, so dass die CDU in einem Fall sogar dazu gezwungen wurde, eine linke Minderheitsregierung unter Führung der Mauermörder-Partei zu tolerieren. Jedenfalls steht die Union seitdem vor dem strategischen Ungleichgewicht, dass ihre Gegner das ganze linke Spektrum für die Bildung von Koalitionen zur Verfügung haben, inklusive der unzweifelhaft für die DDR-Diktatur verantwortlichen Partei, während sie selbst, ginge es nach ÖRR-Journalisten wie Herrn Restle, noch nicht einmal eigene Anträge ins Parlament einbringen dürften, wenn die Gefahr bestünde, dass AfD-Stimmen denen zur Mehrheit verhelfen könnten.

Das im Hinterkopf behaltend, kommen wir zurück zu Maaßen. Wir wissen nun, dass nach herrschender Meinung die CDU diesen Mann unbedingt ausschließen muss, um nicht ihrerseits wieder unter den ewig latenten Naziverdacht zu geraten. Wenn wir mal die Tatsache außer Acht lassen, dass eine Partei, die sich derart dem Urteil ihrer Gegner oder schlicht Andersdenkenden unterwirft, generell keine besonders leuchtende Zukunft vor sich haben dürfte, muss doch die Frage erlaubt sein: Was zum Geier hat der Mann denn gesagt?

Es ist bekannt, dass Maaßen von einer seiner Meinung nach links vorherrschenden Position gesprochen hat, wonach es darum ginge, die „weiße Rasse“ zu verdrängen und stattdessen Einwanderer aus allen Teilen der Welt nach Deutschland zu holen. Man möchte das gerne ins Reich der Fabel verbannen, aber das Problem hier liegt darin, dass es solche Stimmen tatsächlich gibt. Natürlich nicht gerade von Personen, die als repräsentativ für „die Linke“ angesehen werden könnten (wo gibt es die schon?), aber immerhin im Spektrum der von links stets gefeierten Fluchthelfer. Relevant ist hier vor allem der Punkt, dass sich Maaßen keinesfalls einer Rassenlehre angeschlossen, sondern nur die eines anderen, von ihm keinesfalls geschätzten Twitterers, zitierte. Und ob er tatsächlich selbst glaubt, dass es diesen „großen Austausch“ gebe, geht aus seinen Aussagen eben nicht hervor. Genau das wird ihm jetzt aber vorgeworfen.

Wie oben schon gesagt: Dass die CDU Herrn Maaßen ausschließen möchte, ist verständlich. Nur sind die schweren Geschütze, die dafür herangezogen werden, nicht gerechtfertigt bzw. folgen blind Vorgaben, die sich auf eine bewusste Falschinterpretation von Aussagen des Delinquenten stützen. Aber warum das anführen, wenn einem der Kerl doch egal ist? Ja, der Kerl ist egal, aber die Methode nicht, denn die kann jederzeit jeden treffen, der links in Ungnade gefallen ist. Es gilt, darauf zu achten, und jede Aussage vor dem Hintergrund der Interessen des Sprechers zu beurteilen. Je mehr eine Behauptung gefällt, je eher sie in eine bereits vorher gefasstes Bild passt, um so skeptischer sollte man sein. Und um so länger sollte man mit einer Reaktion und einem Urteil warten.

[1] Sarrazin ist ein gutes Beispiel. Wer sein Buch „Deutschland schafft sich ab“ mal unvoreingenommen liest, wird dort keinen der Vorwürfe bestätigt finden, die gegen den Autor aufgrund des Buches geäußert wurden. Außer dem vielleicht, dass Intelligenz vererblich ist, was aber aus Sicht des Werwohlfs kein Vorwurf, sondern ein Fakt ist (in welchem Maße und unter welchen Bedingungen, ist eine andere Frage). Allerdings scheint sich Sarrazin im Zeitablauf immer mehr zu der Karikatur zu entwickeln, die von seinen Gegnern gezeichnet wurde. Ein Phänomen, dass Jan Fleischhauer hier beleuchtet.

[2] Kennen Sie eine linke Forderung, der in den öffentlich-rechtlichen Medien noch nie prominent Raum gegeben wurde? Und welche rechten Forderungen kennen sie, die von diesen Medien in einer nicht empörungsgerecht vorformulierten Version aufgegriffen wurde?

[3] Wer in Erinnerung hat, wie sehr schwach demokratisch legitimierte Institutionen den Griechen Vorschriften über ihr Budget machen wollten, muss als Deutscher kein Nationalist sein, wenn er gegen den Euro ist. In Deutschland selbst gibt es große Profiteure des Euro, und genau so auch Verlierer, so dass die Diskussion sinnvoll eben nicht an den Grenzen des Nationalstaats zu führen wäre. Und selbst wenn – immerhin ist jeder Nationalstaat in ihr demokratisch weit besser legitimiert als jede Institution der EU.

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