(Schnell mal) Was zur Wahl in den USA

Es ist wieder passiert.

Das Dumme an der Demokratie ist ja, dass die Anderen auch wählen dürfen. Zum Beispiel eben nicht die ungeheuer „progressiven“ Kräfte (wer definiert, was Fortschritt ist, definiert die Richtung, in die es geht…), sondern die Anderen. Die nichts mit Medien machen, die keine Jobs im Uni-Reservat haben, und die nicht von einem eingefahrenen System der parlamentarischen Demokratie als geschmeidige Taktierer in ein Gremium gespült wurden. Ach ja: Und die, weil sie nicht zu einer offiziell anerkannten Minderheit gehören (ja, da gibt es eine Liste – oder haben Sie schon mal von Quoten für Rothaarige gehört?), vom Staat auch keine Sonderbehandlung zu erwarten haben.

Das Dumme an der Demokratie ist auch, dass die Anderen für ihre Motive vorher keine Genehmigung einholen müssen. Sie dürfen aus Sicht der Aufrechten völlig falsch, weil völlig gegen die eigenen Interessen (wie sie allerdings nur von den Aufrechten definiert werden können) wählen. Sie dürfen auch aus Gründen ihre Entscheidung treffen, die bei den Aufrechten auf moralische Entrüstung stößt. Was erlaube Pöbel!?

Leider dürfen auch ethnische und demografisch dem Aufrechten eher unsympathische Gruppen wählen. Jedenfalls lässt sich dies aus den vielen „Statistiken“ ablesen, die einen deutlichen Wahlsieg der gewünschten Person ergeben hätten, wenn denn die Wählerschaft ausschließlich durch ein dem Aufrechten sympathisches Kollektiv bestanden hätte. Was sie leider nicht tat, sonst gäbe es die Anderen ja gar nicht.

Wie gesagt: All das ist höchst unerfreulich für Progressive und Aufrechte. Und wenn man die Reaktionen richtig deuten kann, dann führen sie das Problem darauf zurück, dass die Anderen nur noch nicht hinreichend genug beschimpft wurden, um sie letztlich so einzuschüchtern, dass sie eine falsche Stimmabgabe gar nicht mehr wagen. Und natürlich auf die beklagenswerte Spaltung der Gesellschaft.

Schlimm. Und dabei haben wir bis jetzt nur auf die Leute im Wahlland selbst geblickt.

Noch viel schlimmer ist es ja für eine Elite, die sich wie selbstverständlich der Elite des Wahllands selbst überlegen fühlt. Zum Beispiel die deutsche. Da haben sich schon irgendwelche Inselaffen erdreistet, anders abzustimmen, als ihre verdammte Pflicht und Schuldigkeit gewesen wäre, und jetzt auch noch die Amis. Und noch viel, viel schlimmer: Man war sich doch so sicher, dass alles gut gehen würde. So sicher, dass man den späten Sieger nach Herzenslust in den Dreck ziehen konnte. Aber was jetzt, wenn man ihm in offizieller Funktion entgegentreten muss? Gut, dieses Problem haben nur wenige, die vielleicht deswegen auch nicht Bundespräsident werden können, aber der Schock sitzt so tief, dass automatisch immer derselbe Kompensations-Mechanismus abgespielt wird.

Entgeistert fragt der deutsche Progressive bei seinen auswärtigen Freunden nach und erfährt dort, dass diese vom Wahlausgang erstens genau so überrascht wurden und ihn zweitens genau so herzlich ablehnen wie er. Zack – fällt er wieder in den alten Modus zurück, der alles außerhalb seiner Filterblase bequemerweise ignoriert, und fängt an, seine Umwelt mit Berichten und Kommentaren zuzudecken, dass die Wähler in diesen Ländern doch im Grunde genau so fühlten wie er (also zumindest die Wähler, die er als solche durchgehen lässt), das Ergebnis also letztlich nichts anderes sei als ein schrecklicher Irrtum, den man doch irgendwie korrigieren können müsse. Wenn es gut läuft, sammeln sich noch einige Wahlverlierer zu Demonstrationen, und weil man Demonstranten im Fernsehen besser ins Bild setzen kann als Wähler, adelt man sie zur überlegenen und letztlich einzig wahren Willensäußerung. Problem gelöst, jedenfalls im Gemütshaushalt des progressiven Aufrechten und seiner Anhänger.

Aber das Dumme ändert er damit letztlich nicht. Das Dumme, jedenfalls aus seiner Sicht, ist, dass Heilsgewissheit und Demokratie schlecht zusammen passen. Als Progressiver will man so schnell wie möglich auf so vielen Ebenen wie möglich das Reine, Hehre und Wahre durchsetzen – das, was man dafür hält. Die Anderen, die Dummen mit dem falschen Alter, der falschen Hautfarbe, dem falschen Geschlecht und der falschen Meinung, deren Denken und die selbst man am liebsten so schnell wie möglich überwunden sehen würde, weshalb man ja auch anders strukturierte Zuwanderung so toll findet und den Neuankömmlingen am liebsten stante pede die Bürgerrechte verleihen würde, die stören nur. In dieser unsagbaren Demokratie dürfen sie aber noch zum Faktor werden.

Natürlich gibt es eine Lösung für solche Probleme. Und schlaue Leute sind auch schon drauf gekommen. Es wird dann zwar meistens etwas hässlich, aber hey – für das Reine, Hehre und Wahre muss man halt ein paar Opfer bringen. Wenn Demokratie dem entgegen steht, ist das ihr Problem.

Will sagen: Natürlich kann man sich entrüsten darüber, dass sich jetzt z.B. eine Mehrheit gefunden hat, die einen unsympathischen, arroganten und verlogenen Drecksack zum Präsidenten gewählt hat. Aber mindestens genau so unerträglich wie die Visage dieses Herrn ist die Heuchelei derer, die seinen Wahlsieg jetzt zur Katastrophe aufbauschen und mindestens ebenso arrogant, unsympathisch und verlogen über ihn und vor allem seine Wähler herziehen. Sie sind kein Deut besser als ihr Hass-Objekt, was am besten sichtbar wird in dem Unwillen, einen Wahlausgang zu akzeptieren, der ihnen nicht in den Kram passt.

Demokratie meint nämlich eigentlich nicht die Herrschaft einer Elite *über* das Volk.

4 Gedanken zu „(Schnell mal) Was zur Wahl in den USA

  1. Paul

    Meine Sorge: Trump ist m.E. im höchstem Maße attentatsgefährdet. auch durch eine von den Medien aufgeputschte Menge. Es könnte sich Einer berufen fühlen, zum Wohle der Allgemeinheit glaubt eingreifen zu müssen.
    Das ist jedenfalls meine Befürchtung.
    In der Haut der für Trump zuständigen Sicherheitsleute möchte ich jedenfalls nicht stecken.

    Herzlich, Paul

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    1. Werwohlf Autor

      Stimmt wohl. Wäre bei anderem Ausgang aber kaum anders gewesen. Das Problem der USA ist die Polarisierung. Und hier läuft es in dieselbe Richtung.

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  2. erlingplaethe

    Das Lamentieren wird vielleicht früher aufhören als erwartet. Man lese nur mal die freundlichen Worte von Frau Wagenknecht zur Wahl. All die Putinversteher in der AfD, Ex-SED bis zur SPD und nicht zu vergessen: in der CSU, werden dafür sorgen sich einige bald noch einsamer fühlen werden.
    Vor allem die Zwischen-den-Stühlen-Sitzenden.
    Steinmeier darf sich freuen: kein Säbelrasseln gegenüber Russland mehr, sein Freund Gerhard wird ihm noch verklickern was für ein prima Kumpel Trump ist.
    Die russlandaffine deutsche Wirtschaft darf sich freuen: Das Ende der Russlandsanktionen ist nah.
    Die Linke darf sich freuen: Endlich ein von Russland für gut befundener Präsident der USA.
    Die AfD freut sich sowieso, bald ist sie Mainstream.
    Übertrieben? Ja, vielleicht. So wie die Vermutung Trump will nur mit russischer Hilfe sein Konto füllen. Er wäre aber nicht der erste gekaufte Staatschef eines westlichen Landes. Deutschland hat da schon mal die Vorreiterrolle gespielt.
    Ein guter Indikator ist, wie lange das Amerika-Bashing anhällt dass mit jeder Wahl eines republikanischen Präsidenten in Deutschland losbricht. Möglicherweise ist es ja vor der Wahl eines Demokraten beendet.
    Dann ist klar, dass sich was geändert hat.

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  3. Dr. Caligari

    Ach… Man bekommt den Eindruck, dass die Deutschen viel mehr Anteil nehmen an der Wahl des US-Präsidenten als an ihrer eigenen Bundestagswahl. Wer kann es ihnen auch verübeln? Es geht bei der Bundestagswahl eben um „more of the same“ vs. „weiter so“ und man kann allenfalls über die Größe der Opposition abstimmen.

    Dass da sehr viele Leute aus Politik und Medien im eigenen Saft schmoren, war ja schon vorher so. Wo ist das Problem? Nun, ehrlich gesagt: Mein Problem ist, dass ich durch diese ganzen ziemlich undifferenzierten Meinungsäußerungen den Reiz spüre, zu widersprechen.
    Und das läuft fast zwangsläufig darauf hinaus, Trump zu verteidigen und das möchte ich eigentlich auch nicht…

    Einige Fragen bleiben:
    – Welche Äußerungen gegen die PoC hat Trump eigentlich gemacht? Ist er ein Rassist? (Wäre nicht der erste rassistische US-Präsident, aber der erste nach langer Zeit.)
    – Was hat Trump gegen den Islam gesagt, was hat er vor?
    – Wieso ist es für unsere Freunde in den Medien eigentlich so schlimm, dass auch weiße-hetrosexuelle, alte Männer wählen?

    Grade die ersten beiden Fragen hätte ich gerne beantwortet.

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Platz für Senf.

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