Über das Christsein – einige Gedanken zu Ostern

Die Christen feiern heute ihr wichtigstes Fest: Ostern. Für diejenigen, die es nie gelernt haben: Es geht bei diesem Fest nicht um Hasen und Eier, sondern um die Auferstehung Jesu Christi. Die Auferstehung ist der Kern des christlichen Glaubens. Wer nicht an den auferstandenen Jesus glaubt, und zwar nicht nur irgendwie symbolisch, sondern ganz konkret daran, dass Jesus wahrhaft und leibhaftig von den Toten auferstanden ist, der kann vieles sein, nur nicht Christ.

Wie eine Umfrage jetzt ergab, sind das in Deutschland ungefähr lediglich noch ein Drittel, mit interessanten Verteilungen zwischen Ost und West oder den Parteien.

Was um so überraschender erscheinen mag, als doch in den letzten Monaten die „christlichen Werte“ ein wichtiges Argument bei der Einstellung zur „Flüchtlingskrise“, bei der es sich in Wirklichkeit natürlich vor allem um eine Migrationskrise handelte.  An vorderster Front der „Alle rein!“-Forderer stehen Grüne und „Linke“ – ausgerechnet die Parteien mit dem geringsten Christenanteil. Wie passt das zusammen?

Aus werwöhlfischer Sicht so: Das Engagement der Grünen und „Linken“ ist nicht christlich motiviert. Es hat auch nicht in erster Linie die „Flüchtlinge“ im Auge, sondern es ist vor allem ein Engagement, mit dem die vorhandene deutsche Gesellschaft überwunden werden soll. Die Migranten werden dabei nur instrumentalisiert, was bei einigen Aktivisten aus dieser Ecke ja sogar so weit ging, dass sie Versuche des Grenzübertritts bei Idomeni initiierten, die Menschen das Leben kosteten. Im Dienste der guten Sache, versteht sich. Christlich ist das wahrlich nicht. So erklärt sich auch, warum bei den Einwanderern locker toleriert wird, was bei den Einheimischen sofort zu den üblichen Aufschrei-Ritualen führen würde. Es geht um ein höheres Ziel. Welche Motive bei diesem offensichtlichen Hass gegen die eigene Herkunft im Spiel sein mögen, können wir an dieser Stelle den Psychologen überlassen.

Entscheidend aus werwöhlfischer Sicht ist, gerade mit Blick auf Ostern, etwas anderes.

Das Osterereignis betrifft nicht ein Kollektiv.  Jesu Sieg über Tod soll nicht ein Volk erlösen oder die Gesellschaft verbessern. Jesu Sieg über den Tod ist eine Botschaft an jeden Einzelnen von uns, der sich einer, wenn nicht der entscheidenden Frage der eigenen Existenz gegenüber sieht. Der Mensch als das wahrscheinlich einzige Wesen, das sich des unweigerlichen, irdischen Endes der eigenen Existenz bewusst ist, muss sich damit immer selbst und individuell auseinander setzen. Im Angesicht des Todes zählen keine Kollektive mehr, den letzten Weg tritt man immer ganz alleine an. Woher? Wohin? Warum? Kein Mensch kann verhindern, sich solche Fragen zu stellen, denn es ist das, was ihn ausmacht, von allen anderen Wesen hier unterscheidet. Das Ich ist das kostbarste Gut des Menschen, und wenn es schon während seiner Existenz drastisch verändert, eingeschränkt wird, gilt es allgemein als Katastrophe. Denken wir an Demenz, die Folgen von Schlaganfällen oder gar den schlimmstmöglichen Fall, das Wachkoma. Diese werden, mit fortschreitender medizinischer Entwicklung und zugleich demografischer Revolution hierzlande zukünftig ebenso existenzielle Fragen aufwerfen. Zu Jesu Zeiten waren sie als Phänomene noch weitgehend unbekannt, so dass es sich erübrigte, darauf eine direkte, plastische Antwort zu formulieren – hingegen war der Tod viel präsenter als heute.

Aber Christen können darauf hoffen, dass sie bei Jesus auch mit den neuen Fragen gut aufgehoben sind. Vergessen wir nicht die Berichte über die Krankenheilungen und Dämonenaustreibungen. Sie versprechen, dass im Reich Gottes der Mensch von all seinen Plagegeistern geheilt sein wird. Ja, die Berichte des Evangeliums deuten sogar darauf hin, dass die Auferstehung nicht körperlos stattfindet, sondern die vormals Toten in einem neuen Körper weiter existieren werden. Wie das genau aussehen soll, kann sich auch der Werwohlf nicht vorstellen. Aber er würde es auch seltsam und eher verdächtig finden, könnte er es. Wenn es einen Sieg über die Dinge gibt, die das eigene Ich töten, dann muss er außerhalb dessen Vorstellungskraft liegen. Mit dem Tod und der Auferstehung seines menschgewordenen Sohnes hat Gott aber ein eklatantes (und für viele skandalöses) Zeichen gesetzt, auf das Christen vertrauen können, auch wenn sie die Umstände nicht begreifen.

Das ist der Kern des christlichen Glaubens. Die vielbeschworene Nächsten-, gar Feindesliebe ist dabei nicht etwa Voraussetzung, sondern vor allem logische Folge. Jesus sagt, dass Gott jeden Einzelnen von uns liebt. Er möchte, dass wir diese Liebe erwidern, tätig nicht gegenüber Gott, der das ja selbst nicht nötig hat, sondern gegenüber jenen, die unserer Hilfe bedürfen. Dadurch, dass wir die Liebe Gottes zu unserem Nächsten teilen, treten wir sozusagen in seine Liebe ein. Mehr braucht es nicht. Aber wir sind nicht Gott, Wir können nicht so lieben wie er. Wir können es nur immer wieder versuchen, wissend, dass wir immer wieder dabei scheitern werden. Und genau dann hilft uns Jesus und der Glaube an ihn. Im Grunde ist das der Inhalt der berühmten Bergpredigt.

Der Werwohlf ist überzeugt davon, dass viele Flüchtlingshelfer, die wirklich konkret vor Ort versuchen, den Ankommenden das Leben zu erleichtern, in dieser Motivation handeln. Und das ist dann zweifelsfrei und eindeutig beispielhaft christlich. Auch und gerade, wenn sie vielleicht dabei scheitern. Was aber nicht heißt, dass jetzt eben diese Art Engagement sozusagen Pflichtveranstaltung für alle Christen wäre. Es gibt auf dieser Welt viele Menschen, die Hilfe nötig haben, und das ist nicht abhängig von ökonomischen oder sozialen Klassifizierungen, sondern ganz konkret und unmittelbar von der Situation des einzelnen Menschen. Den, an den auch die Botschaft der Auferstehung gerichtet ist. Um es drastisch zu sagen: Auch ein reicher Sack kann in dieser Hinsicht arm dran sein. Ist Hilfsbedürftigkeit priorisierbar? Ökonomisch vielleicht. Aus christlicher Sicht nicht. Seien wir also vorsichtig bei allen solchen Versuchen. Weder handelt es sich bei in Deutschland ankommenden oder nach Deutschland strebenden Migranten um die schlimmsten Schicksale der Welt, noch müssen wir erst allen bereits im Land befindlichen Menschen (oder genauer: Deutschen) geholfen haben, bevor wir an andere denken. Wir werden, egal was wir tun, immer viel Leid weiter existieren lassen müssen.

Ganz eindeutig nicht christlich ist aber eins: Von anderen zu verlangen, Ressourcen zur Verfügung zu stellen, um sich selbst in ein wohltätiges Licht zu rücken. Und damit betreten wir das Feld der Politik. Bisher ging es um das, was jeder freiwillig tut. Im Reich der Politik aber herrscht immer Zwang. Daher: Es ist christlich, selbst Opfer zu bringen. Es ist nicht christlich, andere dazu zu zwingen, ein Opfer für das zu bringen, was man selbst als geboten ansieht.

Daher sollten wir auch sehr vorsichtig sein damit, christliche Motive in die Politik einzuführen. Aus werwöhlfischer Sicht muss ein Christ in der Politik eher darauf achten, welche Politik nicht gemacht wird. In einer Demokratie gibt es auch unter Christen viele Fragen, die unterschiedlich beantwortet werden können. Es gibt aber einen Kern, der für Christen nicht zur Disposition stehen kann; das menschliche Leben. Es darf keiner Ideologie, keinem angeblich höheren Zweck geopfert werden, ganz zu schweigen von anderen Zwecken wie der simplen Erleichterung des eigenen Lebens.

Ja, das heißt, dass Menschen nicht einfach erschossen werden dürfen, nur weil sie einen Grenzstrich übertreten. Aber das heißt auch, dass die Tötung ungeborenen Lebens keine Selbstverständlichkeit sein darf. Wer in beiden Fragen seinen Widerstand öffentlich äußert, und wer dazu noch glaubt, dass Jesus wahrhaft auferstanden ist, den kann man sehr wahrscheinlich zu Recht als Christ bezeichnen.

P.S.: Der Werwohlf spricht mangels cathedra auch nie ex.

8 Gedanken zu „Über das Christsein – einige Gedanken zu Ostern

  1. Barbara

    Noch eine Anmerkung. Sie schreiben: „Er möchte, dass wir diese Liebe erwidern, tätig nicht gegenüber Gott, der das ja selbst nicht nötig hat, sondern gegenüber jenen, die unserer Hilfe bedürfen.“ – „Nötig“ hat Gott es nicht, aber es gibt doch m. E. Formen der Erwiderung der Liebe Gottes gegenüber Gott, von denen ich annehme, dass Gott sich darüber „freut“, wenn das nicht zu anthropomorph klingt. (Bsp.: Lobpreis, Anbetung, Dome und Kathedralen, Kompositionen…)

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    1. Werwohlf Autor

      Ja, das gehört dazu. Man denke nur an das Gebet, dessen Wortlaut den Evangelien zufolge von Jesus selbst stammt, das Vaterunser. Mein Schwerpunkt im obigen Text lag auf „tätig“.

      Antwort
    1. Werwohlf Autor

      Ich danke.

      Aufregung in Glaubensdingen entsteht auch meist erst dann, wenn es nicht um den eigenen Glauben geht, sondern den anderer, „am besten“ ohne ihn hinreichend gut zu kennen, um dieses Defizit dann durch eine um so eindeutigere Wertung zu ersetzen.

      Oder wenn Glaube zur politischen Waffe wird.

      Antwort
  2. n_s_n

    Ich habe lange über deinen Schlußabsatz nachgedacht und darüber wie die In-vitro-Fertilisation ihren Platz darin fände, welche zumindest die katholische Kirche moralisch ja ablehnt.
    Ich kann das Dogma zwar verstehen aus dem sich diese Haltung ableitet, nicht aber den Widerspruch auflösen, als Christ die zugehörige Liebe nicht entstehen lassen zu wollen.

    Nach deiner getroffenen Einschätzung dürfte ich mich übrigens nicht als Christ bezeichnen und mit meinem Gedanken oben käme womöglich noch ein weiterer Grund dazu. Das macht mich indifferent traurig. Daher mag es immerhin sein, dass bei mir noch nicht Hopfen und Malz verloren ist. Vergebung immerhin darf ich im Zweifel zu finden hoffen.

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    1. Werwohlf Autor

      Nach deiner getroffenen Einschätzung dürfte ich mich übrigens nicht als Christ bezeichnen

      Ich wüsste nicht, warum der Umkehrschluss da unmittelbar zulässig sein sollte. Ich maße mir nicht an, Leuten, die sich als Christen sehen, das Christsein abzusprechen, aber ich hätte vielleicht einige Fragen hinsichtlich der Ernsthaftigkeit ihres Bekenntnisses. Oder besser: Jeder Christ sollte sich die selbst stellen. Ein A-la-carte-Christentum jedenfalls, das ein Ignorieren der unbequemen Folgerungen mit einem umso heftigeren Eintreten für die bequemeren verbindet, taugt aus meiner Sicht nicht viel. Dass Christen mit einzelnen Aspekten insbesondere der römisch-katholischen Dogmatik Probleme haben, ist nachvollziehbar, aber auch da würde ich eine ernsthafte Auseinandersetzung mit dem eigenen Gewissen erwarten.

      Ich kann das Dogma zwar verstehen aus dem sich diese Haltung ableitet, nicht aber den Widerspruch auflösen, als Christ die zugehörige Liebe nicht entstehen lassen zu wollen.

      Der Widerspruch ist nicht zwingend, da die Liebe der einen auch andere zum Opfer haben kann.

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  3. n_s_n

    „Der Widerspruch ist nicht zwingend, da die Liebe der einen auch andere zum Opfer haben kann.“

    Das ist richtig. Dieese Frage habe ich mir auch gestellt. Doch wo soll das Opfer der anderen sein in diesem Falle? Das zumindest ist mir unklar.

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    „Ein A-la-carte-Christentum jedenfalls … taugt … nicht viel.“
    Da hast du insoweit definitiv Recht, als es die Beliebigkeit betrifft, mit der man seine eigene Wohlfühlzone polstert. Mir ist das schon mehr als einmal aufgestoßen in meinem Leben.

    Ich tue mich damit allerdings in so weit schwer, als dass ich grundsätzlich meine Probleme mit Dogmen habe, da diese die Moral gerne externalisieren und somit gerne genutzt werden, um sich von eigener Verantwortung befreien. Aber diese „Externalisierung“ der Moral ist etwas, was wohl konstituierend für Religion ist, wobei ich mir aber bei dem Christentum daürber nicht mehr wirklich sicher bin. Möglicherweise ist es die einzige Religion, welche die Moral doch beim Menschen belässt.

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    „die sich als Christen sehen“

    Mir geht es nicht darum als was ich mich bezeichne oder als was andere mich in dieser Hinsicht sehen. Mich beschlich einfach ein Gefühl, dass du mit deinem „Schnelltest“ richtig liegen könntest und zwar nicht nur als Lakmustest für das Christsein, sondern im Snne von drei „obektiven Wahrheiten“, welche du als Kriterien benennst, Das hieße, ich fände den Weg zu diesen Wahrheiten, zumindest in dem Fal wo man sie nur glauben kann, für mich nicht.

    Christ zu sein, gibt Orientierung.und, so möchte ich meinen, nicht die schlechteste. Welcher Mensch sehnt sich nun nicht nach Orientierung? Ich tue das zumindest und deine Worte haben mir klar gemacht, warum / dass ich diese Orienteierung für mich möglicherweise nicht finden kann. Da mich sowohl die Geschichte, wie auch die Botschaft von Christus schon seit früher Kindheit sehr bewegt hat, mit wechselnden Einscihten, macht mich diese Erkenntnis indifferent traurig. Das meinte ich.

    Antwort
    1. Werwohlf Autor

      Doch wo soll das Opfer der anderen sein in diesem Falle? Das zumindest ist mir unklar.

      Könnte man etwas allgemeiner konstruieren – ich schätze, die Kirche sieht hier die Gefahr, dass der Mensch zu einem industriellen Produktionsgut des Menschen wird. Davon sind wir da noch weit entfernt, aber irgendwo muss man halt die Grenze setzen bei einer fließenden Entwicklung.

      Ich tue mich damit allerdings in so weit schwer, als dass ich grundsätzlich meine Probleme mit Dogmen habe, da diese die Moral gerne externalisieren und somit gerne genutzt werden, um sich von eigener Verantwortung befreien.

      Ich glaube, es besteht kaum ein Zweifel, dass Dogmen wenig „jesuanisch“ sind. Man muss die eher als Hilfestellung verstehen, wobei vielleicht auch für die Kirche Ronald Reagans berühmter Satz gilt, wonach die fürchtenswertesten Worte der englischen Sprache sind: „I am from the government and I am here to help.“

      Christ zu sein, gibt Orientierung.und, so möchte ich meinen, nicht die schlechteste. Welcher Mensch sehnt sich nun nicht nach Orientierung? Ich tue das zumindest und deine Worte haben mir klar gemacht, warum / dass ich diese Orienteierung für mich möglicherweise nicht finden kann. Da mich sowohl die Geschichte, wie auch die Botschaft von Christus schon seit früher Kindheit sehr bewegt hat, mit wechselnden Einscihten, macht mich diese Erkenntnis indifferent traurig. Das meinte ich.

      Du stellst aber strenge Kriterien auf. Wer kann schon von sich behaupten, allen Anforderungen an einen Christenmenschen gerecht zu werden? Gerade weil das ja eh nicht geht, ist Jesus für uns am Kreuz gestorben. Wir suchen und versuchen unser Leben lang, und auch ein sehr fernes, scheinbar unerreichbares Ziel kann als Orientierung dienen. Es geht schließlich weniger um konkrete Einstellungen als darum, warum man sie hat (wenigstens hier ist das so – in der Politik hingegen ist es fatal, so zu denken). Der Liebe, wenn sie nicht letztlich ichbezogen ist, wird sicher gerne verziehen.

      Meine Kritik zielte denn auch nicht auf den gewöhnlichen Glaubenden, sondern auf diejenigen, die mit ihrem Glauben öffentlich hausieren gehen und sich daher verhalten wie der Pharisäer gegenüber dem Zöllner. Solche Menschen sollten es sich dann auch gefallen lassen, wenn man auf Widersprüche dabei aufmerksam macht.

      Antwort

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